Milchviehfütterung:„Mit Futterrüben sind die Kühe einfach besser drauf!“

Milchviehfütterung:„Mit Futterrüben sind die Kühe einfach besser drauf!“

Tiere, die gut drauf sind, bringen mehr Leistung? Ganz so einfach ist die Gleichung, die Andreas Pape und sein Neffe Jannik Kabelich für eine Milchviehfütterung mit Futterrüben aufmachen, dann doch nicht.

Geestland in Nordwest-Niedersachsen ist eine typische Milchviehregion. Dort bewirtschaftet Andreas Pape zusammen mit seinem Neffen und seinem Vater einen Milchviehbetrieb mit zurzeit 175 melkenden Kühen plus Nachzucht. Das Grundfutter – Ackergras, Dauergrünland, Silomais, Winterroggen und Futterrüben – wird auf 118 ha überwiegend leichten Böden mit Ackerzahlen zwischen 23 und 32 produziert. Die ganzjährige Stallhaltung ist den fehlenden arrondierten Grünflächen geschuldet. Der Bestand ist in drei Gruppen unterteilt: Frisch Melkende stehen auf Stroh und werden nicht per Roboter gemolken, die zweite und dritte Gruppe stehen in Boxenlaufställen und werden per Roboter gemolken.


Gruppe frisch melkender Kühe auf Stroh
Gruppe frisch melkender Kühe auf Stroh
Tiergerechteres Management, ein Stück Gelassenheit

Die Jahresleistung der Herde liegt bei knapp 9.000 l/Tier, bei allerdings überdurchschnittlich hohen Werten für Fett und Eiweiß. Die Kühe der einen Gruppe werden vom Besamungstechniker mit Sperma der Rasse Weißblaue Belgier besamt, während bei der anderen Gruppe ein Holstein-Friesian-Deckbulle mitläuft. Die Kälber mit Belgierabstammung haben relativ kleine Köpfe und sind bei der Geburt noch nicht so schwer, sodass es keine Probleme beim Abkalben gibt. Sie lassen sich hervorragend mästen.

Knapp sechs Jahre alt ist eine Kuh in der Regel, wenn sie ausscheidet. Allerdings leben auch einige Tiere mit weit über 10 Jahren hier, die jedes Jahr komplikationsfrei wieder tragend werden.

Das ist sicher auch eine Einstellungssache. „Mir widerstrebt es, auf Teufel komm raus Herden-Maximalleistung abzufordern. Wenn hier eine halbwegs gute Kuh nicht gleich beim ersten Mal wieder tragend wird, bekommt sie immer noch mindestens eine weitere Chance. In der Regel funktioniert es dann – manche Tiere brauchen eben mehr Zeit und die gebe ich ihnen. Wenn es dann wieder nicht klappt, lasse ich den Tierarzt nach Ursachen forschen, aber meistens ist das gar nicht nötig.“


Futterrüben mit Minimalaufwand

Zunächst verabschiedete man sich in den 90er Jahren von den Futterrüben. „Mit dieser alten Technik und den schwer rodbaren Sorten war das einfach zu mühsam und machte zu viel Arbeit“, erklärt Pape seine damalige Entscheidung. Vor vier Jahren jedoch entschied sich die örtliche Raiffeisen Genossenschaft für eine technische und fachliche Rundum-Begleitung und betreut den Futterrübenanbau jetzt von der Saat bis zur Ernte in Zusammenarbeit mit einem örtlichen Lohnunternehmen und dem Maschinenring. „Das waren für uns die Voraussetzungen, wieder einzusteigen, denn Futterrüben sind ein Topfutter. Und so wie es jetzt organisiert ist, ist der Aufwand minimal für uns. Allerdings fahren wir die Rüben selbst ab und mieten sie ein.“


Ganze Rüben – den Umgang damit müssen Kühe erst lernen

Die Tatsache, dass Pape die Rüben ganz verfüttert, widerspricht zwar der gängigen Lehre, aber schlechte Erfahrungen wie Schlundverstopfungen, Verdauungsprobleme oder ähnliches hat es hier nie gegeben. Die frisch gerodeten Rüben werden auf dem Hof eingemietet und trocknen weiter ab. Die Wochenportion wird vorher noch einmal über einen Enterder gereinigt, bevor die ganzen Rüben in den Futter-mischwagen gelangen (s. Bild).

„Uns war es arbeitstechnisch zu aufwendig, die Rüben zu schnitzeln und Technik dafür ist auch störanfällig. Am Anfang allerdings wussten die Tiere mit den ganzen Rüben nichts anzufangen. Wir haben sie dann erst einmal zerkleinert, aber dann hatten die Kühe den Bogen schnell raus, wie man auch ganze Rüben „knackt“. Und damit sind sie auch ganz gut beschäftigt, für die Tiere ist das nicht nur Futter, sondern auch Spielzeug“, ist Pape überzeugt. Als Beweis wirft er eine Rübe auf den gerade erst fast leergefressenen Futtertisch. Es dauert nur Sekunden, dann sind drei Kühe mit Begeisterung dabei, die Rübe zu zerkleinern. Unpassend große Stücke werden trotz der anwesenden Konkurrentinnen nicht sofort heruntergeschlungen, sondern erst noch einmal kurz ausgespuckt und dann weiter zerkleinert, bis es passt. „Es ist noch keine Rübe aus dem Trog wieder herausgekommen“, stellt Pape zufrieden fest.


Umstellung der Ration problemlos

Die sechs Hektar Futterrüben mit in diesem Jahr gut 100 Tonnen pro Hektar Ertrag reichen von November bis vermutlich Mai. „Wenn wir beginnen, Rüben zu füttern, merkt man das sofort an der Milchleistung, die um ein bis zwei Liter pro Tier und Tag steigt. Auch die Konzentration der Inhaltsstoffe steigt an. Beim ‚Abgewöhnen’ ist der Effekt aber nicht erkennbar, was sicher auch mit dem frischen Ackergras zu tun hat“, hat Pape beobachtet. Auf dem Betrieb jedenfalls hat man den Eindruck, dass die Tiere insgesamt zufriedener sind, seit die Futterrübe wieder Einzug gehalten hat. Sie sind einfach, „besser drauf“: Sie sind „gut im Futter“, die Futteraufnahme ist gesteigert, es gibt keine Fruchtbarkeitsprobleme und die Tiergesundheit insgesamt ist sehr zufriedenstellend.


Leichter Boden: 100 Tonnen/ha Rübenmasse

Ackerbaulich macht – von der Bodenbearbeitung einmal abgesehen – der Betrieb fast nichts selbst, denn von der Aussaat bis zur Ernte sind die Arbeiten ausgelagert. Bei einem Vergleich mit Mais schätzt Pape die Kosten für Pflanzenschutz und Ernte bei der Futterrübe höher ein, die restlichen Kosten sind in etwa vergleichbar. Als Vorfrucht steht hier meist der Roggen, gefolgt von einer Zwischenfrucht. Trotz der eher knappen Niederschläge in diesem Jahr hat auf unseren leichten Standorten die diesjährige Sorte RIBAMBELLE gut 100 Tonnen pro Hektar Ertrag gebracht: „Mit diesem Ertrag bin ich sehr zufrieden. Ich kann diese Kultur anderen Milchviehhaltern, die ihre Fruchtfolge erweitern wollen oder müssen, nur empfehlen. Die Futterrübe ist eine gute Ergänzung zum Mais und bringt wertvolle Inhaltsstoffe wie z. B. die Karotinoide mit. Da wir eigentlich ja nur die Rüben abfahren und einmieten müssen und dann noch einen Reinigungsgang vornehmen, bevor sie in den Futtermischwagen kommen, hält sich der Arbeitsaufwand sehr in Grenzen. Der Vorfruchtwert der Rübe ist auch nicht zu unterschätzen, und das auf dem Feld verbleibende Blatt liefert den Bodenmikroorganismen wertvolles Futter.“


Die Rübe als Leistungstreiber?

Auch wenn ein Anstieg der Milchleistung bei der Futterumstellung sichtbar wird, ist dieser Aspekt auf dem Betrieb Pape nicht das Hauptargument für die Futterrübe. Hier geht es nicht um den letzten Liter, der „herausgekitzelt“ wird. Es ist wohl mehr das Gesamtpaket aus Tierwohl, Tiergesundheit, ackerbaulichen Vorzügen und Ertragsleistung, das in der Summe für die Futterrübe spricht.

Dr. Anke Boenisch und Maik Seefeldt


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Andreas Pape bewirtschaftet seinen Milchviehbetrieb in Geestland, einer typischen Milchviehregion: 175 melkende Kühe plus Nachzucht. Das Grundfutter – Ackergras, Dauergrünland, Silomais, Winterroggen und Futterrüben – wird auf 118 ha überwiegend leichten Böden mit Ackerzahlen zwischen 23 und 32 produziert

Die Tierdaten und Leistungen weichen in einigen Punkten von einem Durchschnittsbetrieb ab, was auch der tierorientierten Grundeinstellung des Betriebsleiters zu verdanken ist:

Die Tatsache, dass die Futterrüben unzerkleinert verfüttert werden, widerspricht zwar der gängigen Lehre, aber schlechte Erfahrungen wie Schlundverstopfungen, Verdauungsprobleme oder ähnliches hat es hier nie gegeben. Die frisch gerodeten Rüben werden auf dem Hof eingemietet und trocknen weiter ab. Die Wochenportion wird vorher noch einmal über einen Enterder gereinigt, bevor die ganzen Rüben in den Futtermischwagen gelangen.

Vor vier Jahren entschied sich die örtliche Raiffeisen Genossenschaft für eine technische und fachliche Rundum-Begleitung und betreut den Futterrübenanbau jetzt von der Saat bis zur Ernte in Zusammenarbeit mit einem örtlichen Lohnunternehmen und dem Maschinenring. Der Betrieb macht also, vom Abfahren der Rüben einmal abgesehen, fast nichts selbst.

Die sechs Hektar Futterrüben mit in diesem Jahr gut 100 Tonnen pro Hektar Ertrag reichen von November bis vermutlich Mai. Wird die Fütterung im November auf Rüben umgestellt, geht die Milchleistung um ein bis zwei Liter/Tier und Tag hoch und auch die Konzentration der Inhaltstoffe steigt.  Auf dem Betrieb hat man den Eindruck, dass die Tiere insgesamt zufriedener sind, seit die Futterrübe wieder Einzug gehalten hat. Sie sind „gut im Futter“, die Futteraufnahme ist gesteigert, es gibt keine Fruchtbarkeitsprobleme und die Tiergesundheit insgesamt ist sehr zufriedenstellend.

Die Futterrübe ist eine gute Ergänzung zum Mais und bringt wertvolle Inhaltsstoffe wie z. B. die Karotinoide mit. Auch der Vorfruchtwert der Rübe ist auch nicht zu unterschätzen, und das auf dem Feld verbleibende Blatt liefert den Bodenmikroorganismen wertvolles Futter.