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Betriebsreportage: „Warum machst Du nicht einfach Bio?“

Betriebsreportage: „Warum machst Du nicht einfach Bio?“

Mit dieser Frage eines Nachbarn fiel bei Werner Klemme die Entscheidung für den ökologischen Landbau. Der Ackerbauer berichtet über Erfahrungen in der Betriebsumstellung. Ungewöhnlich dabei: Er wirtschaftet ohne Pflug und ohne Tierhaltung. Kann das funktionieren?

Werner Klemme bewirtschaftet im Kalletal in Nordrhein-Westfalen einen reinen Ackerbaubetrieb mit Hofladen zur Direktvermarktung. Der Betrieb befindet sich im ersten Jahr der Umstellung (EU-Öko-Verordnung). Von der bisherigen pfluglosen Form der Bewirtschaftung abzuweichen, stand dabei nie zur Diskussion.

„Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit der Erosion war pfluglos einfach gesetzt!“

Wir haben hier viele Schläge mit Hanglagen und schluffigen Böden. Schon seit 35 Jahren wird auf dem Betrieb pfluglos gewirtschaftet. Denn mit einer klassischen Winterfurche wurde in der Fruchtfolge Winterraps, Winterweizen, Wintergerste jedes Jahr bei Starkregen bester Boden einfach weggeschwemmt. Auf den gefährdeten Flächen wurde dann vor 35 Jahren auf den Pflug verzichtet. Wie zu erwarten, gingen die Erträge zurück, aber nach fünf Jahren hatte sich das Ertragsniveau wieder angeglichen. Daraufhin wurde der komplette Betrieb auf pfluglos umgestellt, aber nach wie vor mit einer dreigliedrigen Fruchtfolge bewirtschaftet. Doch wir bekamen Probleme mit Weizendurchwuchs in Gerste.

Einmal konnte im Herbst die Wintergerste infolge von Verschlämmungen auf den Flächen nicht bestellt werden. Die Aufnahme der Sommerung Ackerbohne in die Fruchtfolge war dann erst einmal nur eine Notlösung. Die Erträge waren zwar nicht überragend, allerdings stand die folgende Wintergerste einfach super da und brachte ca. 1,5 t mehr Ertrag, bei gleichzeitig weniger Input. Neben der Ackerbohne wurde dann der Hafer mit in die Fruchtfolge aufgenommen. Dieser benötigt lediglich 110 kg N/ha im Vergleich zu 220 kg N/ha bei Winterweizen.

Es ergab sich eine viergliedrige Fruchtfolge: Blattfrucht vor Halmfrucht, Sommerung vor Winterung und nach wie vor pfluglos! Mit der Sommerung in der Fruchtfolge veränderte sich das Unkrautspektrum: Der Ackerfuchsschwanz ging zurück und andere Unkräuter rückten in den Fokus. Letztere waren aber besser zu händeln, da man diese mit entsprechenden Mitteln aus dem Getreide herausbekam. Die Kulturpflanzen zeigten sich zudem mit der Ausweitung der Fruchtfolge insgesamt vitaler und der Krankheitsdruck in den Beständen wurde geringer.

Arbeitsspitzen konnten weiter entzerrt werden, in der Erntezeit und bei der Herbstbestellung. Zudem kann man bei Auswinterungen flexibler reagieren, weil man Sommerungen leicht integrieren kann.


junger Öllein
junger Öllein

„Pfluglos ohne Zwischenfrüchte funktioniert nicht!“

Wir setzen Zwischenfrüchte nach Wintergetreide ein, um Unkräuter und Ausfallgetreide zu unterdrücken und den Humusaufbau zu fördern. Aufwuchs müsste man sonst aufwendig mit Ackerfräse und Scheibenegge vor der Aussaat der Sommerung einarbeiten – das ist letztlich teurer als die Etablierung Zwischenfrucht. Die Zwischenfrucht kann, wenn sie abgefroren ist, einfach mit dem Grubber eingearbeitet werden. Wichtig ist aber, sie wie eine Hauptkultur zu bestellen.

Die Nachteile der Sommerungen sind aber auch klar: Der Absatz ist schwieriger, die Erträge schwanken und der Handel ist während der Erntezeit nicht auf die Aufnahme von Sommerungen ausgerichtet. Daher haben wir unsere Lagerung weiter ausgebaut, um bis Neujahr einlagern zu können. Vorher stören sie nur den Handel und bringen geringere Erlöse als zu einem späteren Zeitpunkt.

Mein Nachbar, der auch ökologisch wirtschaftet, fragte eines Tages. „Du hast sowieso schon eine Bio-Fruchtfolge, wieso machst du dann nicht gleich ganz Bio?“ Bio war also der nächste logische Schritt, mit der positiven Begleiterscheinung, dass ich Kulturen in die Fruchtfolge integrieren konnte, die vor allem im Biobereich laufen, wie z. B. Back- und Ölsaaten. Gemüse ist bei uns leider nicht möglich. Neben Ackerbohne und Hafer haben wir Öllein, Mohn, Senf, Iberischen Drachenkopf und Chia in die Fruchtfolge integriert.


junge Chia-Pflanze
junge Chia-Pflanze

„Pfluglos Bio ist schwer und ohne Tierhaltung ist es noch schwieriger.“

Im Bio-Landbau steigt der Unkrautdruck und ohne Tierhaltung werden die Nährstoffe weniger. Mehrjähriges Klee- oder Luzernengras bringt Nährstoffe in den Boden und man kann das Unkraut über die Schnittnutzung regulieren. Wir können aber den Aufwuchs innerbetrieblich nicht nutzen und Kühe oder Biogasanlagen sind auch nicht in der Nähe. Cut and Carry mit Silierung ist aktuell zu teuer. Daher nutzen wir eine Rotkleevermehrung mit Frühjahrs- und Herbstschnitt als Mittelweg. Einjährige Unkräuter bekommt man so in den Griff, aber Ampfer profitiert von der Bodenruhe und wird zunehmend zu einem Problem.


„Das erste Werkzeug zur Unkrautbekämpfung ist die Fruchtfolge, erst dann kommt der Striegel.“

Der Striegel als Werkzeug zur Unkrautbekämpfung kommt nur zum Einsatz, wenn das erste Werkzeug nicht greift – und das ist die Fruchtfolge. Der Striegel soll den Kulturpflanzen einen Wachstumsvorsprung verschaffen. Wenn man ihn einsetzt, darf man keine Angst haben, den Pflanzen zu schaden. Man muss sich an die Sache herantasten und dabei kann man den Pflanzen auch durchaus etwas zumuten. Die neue Striegeltechnik ist aber nicht mehr mit dem Striegel vergleichbar, den man eventuell noch in seiner Halle stehen hat. Gleichzeitig muss man von dem Denken wegkommen, dass die gesamte Ackerbegleitflora aus dem Bestand entfernt werden muss. Man muss aber unterscheiden: Ampfer und Ackerfuchsschwanz sind nicht tolerierbar, Vogelmiere stört dagegen weniger.

Für die Bestimmung der Toleranz gegenüber der Ackerbegleitflora ist die Dokumentation der Entwicklung sehr wichtig. Bilder während der Entwicklung zeigen nachträglich, welcher Unkrautbesatz sich wie auf den Ertrag auswirkt und helfen bei der Bestimmung von Schadschwellen. Nullparzellen sind für mich extrem wichtig. Man bekommt mit der Zeit ein Gespür dafür, was und wie viel man tolerieren kann.


Hafer gestriegelt Varuante 1
Hafer gestriegelt Varuante 1

Hafer gestriegelt Variante 2
Hafer gestriegelt Variante 2


„Ich halte den hybriden Weg für den sinnvollsten.“

Letztlich halte ich den hybriden Weg zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft für den sinnvollsten. Wenn keine anderen Mittel mehr zur Verfügung stehen, sollte die Möglichkeit bestehen, auf chemische Maßnahmen zurückzugreifen. Disteln und Quecken bekomme ich mit Herbiziden in den Griff, im ökologischen Landbau benötige ich mithilfe eines Kleegrases fünf Jahre.

Aktuell steht und fällt die Weiterbewirtschaftung des Betriebs unter den Vorschriften des Öko-Landbaus mit einer wirtschaftlichen Verwendung des Kleegrases. Wenn sich hier nichts findet, muss ich wieder umstellen, da ich auch keine Unkrautvermehrung aufbauen will. Fruchtwechsel, Leguminosen, Sommerungen, Zwischenfrüchte und mechanische Unkrautregulierung würden dann aber nach wie vor eine wichtige Rolle spielen!

Text: Werner Klemme und Stefan Ruhnke; Fotos: Stefan Ruhnke

Betrieb Familie Klemme, Kalletal, Nordrhein-Westfalen

Im 1. Jahr der Umstellung auf den ökologischen Landbau nach EU-Öko – reiner Ackerbaubetrieb mit Direktvermarktung

Kulturen

  • Winterungen: Weizen, Gerste, Roggen, Dinkel, Wintermohn
  • Sommerungen: Ackerbohne, Hafer, Sommermohn, Öllein, Senf, Iberischer Drachenkopf, Chia
  • Mehrjährig: Rotklee- und Gräservermehrung Konsequenter Zwischenfruchtanbau

Werner Klemme
Werner Klemme

Schnell gelesen (Kurzfassung):

Werner Klemme musste schon lange vor der Umstellung auf Bio pfluglos arbeiten, um der Erosion an Hanglagen entgegenzuwirken.  Die Fruchtfolgeerweiterung auf seinem Betrieb war ebenfalls zunächst nicht dem Bio-gedanken geschuldet, sondern erfolgte, weil enge Fruchtfolgen zu ackerbaulichen Problemen führten und in einem verregneten Herbst eine Bestellung mit Winterungen nicht möglich war. Der „Notnagel“ Ackerbohne erwies sich als so positiv für die nachfolgende Wintergerste, dass die Ackerbohne in der Fruchtfolge blieb.


Die weiteren Vorteile einer Sommerung: Arbeitsspitzen können weiter entzerrt werden, in der Erntezeit und bei der Herbstbestellung. Zudem steigt die Flexibilität bei Auswinterungen, weil man Sommerungen leicht integrieren kann.


Die Nachteile der Sommerungen sind aber auch klar: Der Absatz ist schwieriger, die Erträge schwanken und der Handel ist während der Erntezeit nicht auf die Aufnahme von Sommerungen ausgerichtet. Daher hat der betrieb die Lagerung ausgebaut, um bis Neujahr einlagern zu können.

Und eine wichtige Erkenntnis ist: „Pfluglos ohne Zwischenfrüchte funktioniert nicht!“ Zwischenfrüchte haben daher ihren festen Platz nach Wintergetreide, um Unkräuter und Ausfallgetreide zu unterdrücken und den Humusaufbau zu fördern. Wichtig ist aber, die Zwischenfrucht wie eine Hauptkultur zu bestellen.


Da die Fruchtfolge ohnehin sehr weit ist, war es zur Umstellung auf Bio nur noch ein kleiner Schritt. Der Vorteil ist, dass nun auch typische Biokulturen, für die es einen Biomarkt gibt, in die Fruchtfolge aufgenommen werden können, wie Öllein, Mohn, Senf, Iberischen Drachenkopf und Chia.

Ein Riesenproblem ist die fehlende Tierhaltung bzw. die nicht vorhandene Verwertungsmöglichkeit für Klee- oder Luzernengras, das gut Nährstoffe in den Boden bringen würde. Der Kompromiss – eine Rotkleevermehrung mit Frühjahrs- und Herbstschnitt - funktioniert wegen der zunehmenden Ampferproblematik nur eingeschränkt.

Wenn sich hier keine Lösung findet, wird die Umstellung auf Bio nicht möglich sein. Der Betriebsleiter könnte sich auch eine „hybride Landwirtschaft“ gut vorstellen: Pflanzenschutz nur als „Notbremse“ und ansonsten weite Fruchtfolgen und Zwischenfruchtanbau, denn damit sind die meisten Probleme in den Griff z bekommen.

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