Die Hafermühlen im VGMS, der Sächsische Landesbauernverband sowie der Thüringer und der Bayerische Bauernverband hatten am 19. November zum Haferforum Süd eingeladen – und das Interesse war riesig. Von Züchtung über Landwirtschaft bis zur Verarbeitung – aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette für Hafer waren Interessierte gekommen. Dr. Anke Boenisch, praxisnah, berichtet über die Highlights.
Nach der Begrüßung durch Ulrike Seibold (SchapfenMühle) und Christopher RUBIN/">RUBIN (Rubinmühle) erhielt Gisela Reetz, Sächsische Staatssekretärin für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, das Wort. Sie betonte vor allem das politische Engagement in Sachsen für regionale und bioregionale Lebensmittel. Sachsen gehört aktuell zu den größeren Haferproduzenten Deutschlands und sie betonte: „Wir wollen weiteres Wachstum bei regionalen und bioregionalen Lebensmitteln. Und Hafer gehört unbedingt dazu!“ Zugleich äußerte sie aber Bedenken, dass es nach der letzten Landtagswahl nicht mehr selbstverständlich sei, dass diese Politik weitergeführt werde. „Fordern Sie ein Weiterführen dieser Politik ein!“, appellierte sie zum Abschluss ihrer Rede.
Thomas Thiele, der Vizepräsident des Sächsischen Bauernverbandes, sprach vor allem von den Chancen, die der Trend für regionale und gesunde Lebensmittel im Allgemeinen und für Haferprodukte im Besonderen für die Landwirtschaft bringt. Allerdings braucht es für weiteres Wachstum im Hafersegment nach Thiele durchaus noch Optimierungen in Züchtung, Vermarktung und auch Beratung.
Auf das Wachstum fokussierte sich auch Frau Dr. Anke Katharina Müller vom VGMS, die eigentlich angetreten war, die Initiative „Hafer Die Alleskörner“ vorzustellen. Aus Zeitgründen verkürzte sie den Vortrag auf ihre (Kern)Botschaft: Auch die vielfältige Arbeit dieser Initiative hat mit dazu beigetragen, dass die in Deutschland für Lebensmittel geschälten Hafermengen von 290.000 Tonnen im Jahr 2008 auf 675.000 Tonnen 2023 gestiegen sind (Abb. 1). Engagement ungebremst, Tendenz weiter steigend!
Gute Deckungsbeiträge bei intensiver Bestandesführung
Den fachlichen Teil der Veranstaltung eröffnete Dr. Lorenz Hartl von der LfL Bayern, der die Landessortenversuchsergebnisse der Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen vorstellte. Dabei arbeitete er heraus, dass Hafer in Bayern oft auf marginalen Standorten und noch dazu extensiv angebaut wird, was im Ländervergleich zu niedrigen Erträgen und auch unterdurchschnittlichen Deckungsbeiträgen führt. Doch Hartl betonte, dass die auf guten Standorten bei intensiverer Bestandesführung ganz anders aussähen: Hier würden nicht selten weit über 70 dt/ha gedroschen und dies mit guten Qualitäten, was sich dann auch rechnen würde. Er wies zudem darauf hin, wie wichtig die Sorteneigenschaft Standfestigkeit für die Absicherung von Ertrag und Qualität sei: Hier sei bei den neueren Sorten ein deutlicher Zuchtfortschritt erkennbar.
Herbstaussaat hat viele Vorteile, funktioniert aber nicht überall
Dr. Steffen Beuch, Haferzüchter bei der Nordsaat Saatzucht, stellte Ergebnisse des EU-Projektes CROPDIVA zu der Frage „Ist die Herbstaussaat von Sommerhafer sinnvoll?“ vor. Nach einem kurzen Exkurs zu Ertragsphysiologie des Hafers ließ eine Äußerung die Zuhörenden aufhorchen: Laut Beuch zeigen in Deutschland bei Hafer sowohl die langjährigen Praxiserträge als auch die seit 2014 ermittelten Erträge in der Wertprüfung eine rückläufige Tendenz. Negativer Höhepunkt war dabei das Jahr 2023. Zudem sei bei keiner anderen Getreideart der Unterschied zwischen der Ertragsleistung in den Wertprüfungen und der Praxis so ausgeprägt. Durch die klimatischen Veränderungen setze das Rispenschieben mittlerweile ca. 3 Wochen früher ein als noch vor 40 Jahren und auch für die Kornfüllung stünden einige Tage weniger Zeit zur Verfügung. Eine Herbstaussaat sei eine Option, diese Zeitspanne zu verlängern. Eine theoretische Alternative sei dabei der Anbau von „echtem“ Winterhafer. Sommerhafer sei züchterisch jedoch intensiver bearbeitet und habe in Versuchen bei später Novembersaat ein größeres Potenzial in Ertrag und Qualität als Winterhafer gezeigt. Beuch stellte in Auszügen u. a. einen Versuch des EU-Forschungsvorhabens CROPDIVA vor (www.cropdiva.eu). Hier wurde in den Erntejahren 2022 und 2023 ein Anbauversuch mit 250 Sommerhafersorten in Frühjahrs- und Herbstaussaat an 5 Standorten in Großbritannien, Deutschland (2), der Schweiz und Österreich durchgeführt. Die Ergebnisse in Kürze: Je weiter westlich und südlich, desto geringer war das Auswinterungsrisiko. Im Schnitt brachte die Herbstaussaat gegenüber der klassischen Frühjahrsaussaat 25 % mehr Ertrag. Das Stroh war aber im Schnitt 15 cm länger, und es kam häufiger zu Lager. An diesem Punkt wies Beuch eindringlich darauf hin, dass für eine Herbstaussaat nur Sorten mit überdurchschnittlich guter Standfestigkeit gewählt werden sollten. Auch qualitativ schnitt die Herbstaussaat in fast allen Punkten besser ab als der klassische Aussaattermin. Für Betriebe mit Ackerfuchsschwanzproblemen sei aber aus phytosanitären Gründen die Frühjahrsaussaat die bessere Option.
Berichte von Haferfans aus der Praxis für die Praxis
Nachfolgend berichteten Antje Georgi, verantwortlich für den Ackerbau in der Agrargenossenschaft Tirschendorf, und Christian Rank vom ökologisch bewirtschafteten Frankenwaldhof von ihren Erfahrungen im Haferanbau. Georgi, die seit 1991 Hafer in der Fruchtfolge hat, würde im Traum nicht darauf kommen, auf den Hafer zu verzichten, denn ökonomisch rechnet sich diese Sommerung auf dem Betrieb auch durch die professionelle Vermarktung über die Rubinmühle und bringt sich zudem als wertvoller Erosionsschutz ein.
Ganz anders rechnet der Biobetrieb, der Hafer teilweise mit der Untersaat Kümmel anbaut. Der Erlös dieser Kultur liegt hier bei 2.000 bis 3.000 Euro/ha (inkl. Förderprogramm).
Der Hafermarkt macht zzt. gute Laune – ein Selbstläufer ist er nicht
Ein positives Bild von der Entwicklung des konventionellen und ökologischen Hafermarktes zeigten Katja Mieles vom VGMS und auch Matthias Teufel von der Rebio GmbH auf. Diese regionale Erzeugergemeinschaft hat sich quasi parallel zum Markt entwickelt und das Ziel steigender Mengen bei stabil-hohen Preisen konnte durch immer wieder angepasste strategische Anpassungen der EZG umgesetzt werden.
Gegen Ende der Veranstaltung betonte David Quast (SchapfenMühle), dass die Mühlen Qualitätsrohware benötigen, um die hohen Ansprüche seitens der Endkunden erfüllen zu können. Das gehe nur mit einer guten Kommunikation innerhalb der Wertschöpfungskette, mit landwirtschaftlich ambitionierten Menschen und mit einer professionellen und technisch gut gerüsteten Erfassung und Aufbereitung. Also mit Menschen, die viel Know-how und Engagement mitbringen. Thomas Staffan von der Rubinmühle ergänzte, dass die „Hafer-Esser“ – also die Endkunden bis 35 Jahre – den Takt vorgeben würden: „Sie bezahlen uns letztlich und der Lebensmitteleinzelhandel macht mit uns die Vorverträge.“ Hafer läge im Trend und die neue, junge Zielgruppe würde klassische Haferspeisen mit neuem Claim und neuer Wertigkeit versehen und damit einen Lifestyle etablieren. Seine finale Aufforderung an die Landwirte und Landwirtinnen im Raum: „Ich hoffe, Sie bauen mehr Hafer an – denn wir brauchen mehr davon!“