Risikomanagement im Ackerbau

Risikomanagement im Ackerbau

Wer wirtschaftlich erfolgreichen Ackerbau betreiben will, sollte mehr Sicherheit und weniger Risiko anstreben. Allein nur auf Sicherheit zu setzen und nichts zu wagen, bringt jedoch kein Unternehmen weiter. Um abschätzen zu können, wie risikoreich der eingeschlagene Weg u. U. ist, muss man die Risikofaktoren im Ackerbau kennen. Martin Munz, Fachberater in Baden-Württemberg, gibt Tipps, mit Anbau- und Preisrisiken umzugehen.

Wer ein Unternehmen leitet, weiß: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ In der pflanzlichen Produktion sind Anbau- und Preisrisiken zu unterscheiden (Abb. 1).


Risikofaktoren im Ackerbau; zur besseren Ansicht bitte anklicken
Risikofaktoren im Ackerbau; zur besseren Ansicht bitte anklicken


Preisrisiko steigt auch durch „Flächenfraß“

Nach einer aktuellen Studie des Thünen-Institutes gehen der Landwirtschaft entgegen allen politischen Lippenbekenntnissen bis 2030 weitere 300.000 ha an Siedlung, Verkehr und erneuerbare Energien verloren. Bei den in der Folge steigenden Pacht- und Bodenpreisen muss mit spitzem Bleistift gerechnet werden, welche Fruchtarten und Fruchtfolgen sich noch rechnen.

Weitere Preisrisiken verursachen die extrem volatilen Märkte der letzten Jahre. Diesen kann man nur damit begegnen, indem immer wieder Erntemengen abgesichert werden, wenn die angebotenen Preise die Kosten abdecken. Dasselbe gilt für den Einkauf der Produktionsmittel, insbesondere der Düngemittel.


Weite Fruchtfolgen und ein breites Sortenspektrum senken Witterungsrisiken

Der Klimawandel beschert uns durch eine verlängerte Vegetationszeit nicht nur neue Möglichkeiten in der Anbauplanung, sondern durch Extremwetterlagen wie Hitze, Dürreperioden und Starkniederschläge bis hin zu Unwettern auch Mindererträge und Ertragsausfälle. Der Anbau möglichst vieler Kulturen und Sorten bietet hier Sicherheit, sind doch meist nicht alle Fruchtarten gleich stark betroffen. Während beispielsweise letztes Jahr durch die Niederschläge im August in den späteren Ernteregionen bei Weizen nur noch Futterqualitäten geerntet werden konnten, haben späte Frühjahrskulturen wie Mais und Soja den Regen nutzen können und gute Erträge geliefert.

Der Anbau von Sorten unterschiedlicher Reife (Reifestaffelung) führt nicht nur zu einer besseren Auslastung der oft teuren Erntetechnik, sondern minimiert auch das Ertrags- und Qualitätsrisiko, da je nach Jahreswitterung mal die früheren, mal die späteren Sorten besser abschneiden. Der Anbau von Sommergetreide wie Braugerste, Hafer oder Durum im Spätherbst (ab Ende Oktober) in geeigneten Regionen bietet die Chance von höheren Erträgen gegenüber der Frühjahrsaussaat durch eine verlängerte Vegetationszeit und bessere Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit. Allerdings haben die z. T. starken Fröste im vergangenen Winter gezeigt, dass manche Bestände doch ordentlich gestresst wurden. Deshalb empfiehlt es sich, dieses Anbausystem auf wintermilde Lagen zu beschränken oder nur auf Teilflächen anzuwenden.


Flexibilität ist gefragt – bei der Vermarkung und bei der Auswahl der Fruchtarten

Der Ausbildungsstand in der Landwirtschaft ist i.d.R. sehr gut: Viele sind regelrechte Ackerbau-Experten und in der Pflanzenproduktion bestens ausgebildet. Die Vermarktung der Ernteware jedoch tritt oft in den Hintergrund – es werden keine Vermarktungsstrategien entwickelt und gute Verkaufstermine werden verpasst. Mehr Zeit in die Vermarktung zu investieren und sich an Preisabsicherungsprogrammen zu beteiligen, ist oft lohnender als ein noch so ausgeklügeltes Produktionssystem.

Nicht nur der Markt ändert sich (und es ergeben sich neue Vermarktungsmöglichkeiten), sondern ggf. auch die Produktionsbedingungen vor Ort, z. B. durch ein anderes Krankheitsspektrum. Es kann also lohnend sein, neue Kulturen in die Fruchtfolge aufzunehmen oder Fruchtarten auszutauschen.

Hierzu einige Beispiele:

1. Roggen ist nicht nur als Brotgetreide zu vermarkten, sondern lässt sich auch breit in der Fütterung einsetzen, wie zahlreiche Fütterungsversuche belegen. Dabei kommt Roggen mit 25 % weniger Wasser aus als Weizen und benötigt auch weniger Dünger und Pflanzenschutz. In Süddeutschland werden Wintergerstenerträge oft durch den Befall mit Ramularia begrenzt. Hier könnte Roggen den Platz der Gerste in der Fruchtfolge einnehmen.

2. Weizenflächen können in geeigneten Regionen durch Winterdurum ersetzt werden. Diese Fruchtart liebt eine trocken heiße Witterung zur Abreife und trifft in Deutschland auf einen aufnahmefähigen Markt mit attraktiven Preisen.

3. Kühlere und feuchtere Gebiete sind für den Anbau von Hafer prädestiniert. Pflanzenbaulich anspruchslos lässt sich Hafer als Gesundungsfrucht in viele Fruchtfolgen integrieren. Auch hier gibt es aktuell hohe Erzeugerpreise für Qualitätshafer, die über denen der Braugerste liegen. Leider war das in den vergangenen Jahren trotz wachsenden Marktes nicht immer der Fall, weshalb die Anbaufläche in Deutschland stark zurückging. Es bleibt zu hoffen, dass die deutschen Schälmühlen sich künftig mehr um den deutschen Anbau kümmern und sich nicht immer erst darauf besinnen, wenn aus dem Ausland keine günstigere Ware zu bekommen ist.

4.Durch die energieintensive Produktion von mineralischen Stickstoffdüngern werden wir künftig trotz aller Preisschwankungen keine günstigen Preise wie in der Vergangenheit mehr sehen. Denn bei der Herstellung werden auch hier immer mehr die teureren erneuerbaren Energien eingesetzt werden. Leguminosen wie Ackerbohnen, Erbsen, Soja oder auch Nischen wie Linsen oder Kichererbsen benötigen keinen Stickstoffdünger. Ihr Anbau trägt also dazu bei, in der Fruchtfolge Dünger einzusparen. Vor dem Anbau muss aber die Vermarktung geklärt werden, da diese Kulturen noch nicht flächendeckend abzusetzen sind. Durch die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten in unserer Gesellschaft wächst die Nachfrage nach Eiweißpflanzen, wodurch sich zunehmend mehr Vermarktungsstrukturen entwickeln.


Abb. 2: Kornertrag und Proteingehalt von Weizen in Abhängigkeit von der Vorfrucht
Abb. 2: Kornertrag und Proteingehalt von Weizen in Abhängigkeit von der Vorfrucht


Stabilität bei Ertrag und Qualität heißt die Maxime

Stabilere Qualitäten durch den Anbau von Leguminosen: Zwar sind die Ertragsschwankungen bei den Leguminosen ausgeprägter als bei Getreide, sie führen dennoch durch ihren hohen Vorfruchtwert zu stabileren Erträgen bei den Folgefrüchten und durch die N-Fixierung vor allem zu sicheren Proteingehalten. Abb. 2 zeigt die Erträge und Eiweißgehalte in der Wertprüfung bei Weizen in den Jahren 2018–2020 nach unterschiedlichen Vorfrüchten. Allein bei Vorfrucht Leguminosen konnte der Rohproteingehalt im Schnitt der geprüften Weizensorten bei 12,5 % gehalten werden.

Stabilitätsfaktor Boden: Erfreulicherweise setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, sich mehr mit dem Bodenleben und der Bodenfruchtbarkeit auseinanderzusetzen. Ein aktiver Boden kommt besser mit Witterungsextremen zurecht. Dem Anbau von Zwischenfrüchten kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Starkniederschläge werden besser aufgenommen, das Bodenleben wird gefüttert, und die Beschattung führt zu geringeren Temperaturen an der Bodenoberfläche. Zwischenfruchtmischungen mit verschiedenen Wurzelsystemen leisten einen wichtigen Beitrag zu klimastabilen Erträgen.


Fazit

Für Totalausfälle durch Hagel, Sturm und z. T. auch Dürre gibt es Versicherungen. Die beschriebenen Risiken können durch kluge Entscheidungen abgemildert werden. Wer jedes Risiko ausschalten will, der zerstört auch Chancen. Eine gewisse Risikobereitschaft ist somit ein wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg.


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Der erfolgreiche Ackerbau erfordert ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Risikobereitschaft und Sicherheitsstreben. Es ist notwendig, sowohl Anbau- als auch Preisrisiken effektiv zu managen. Aufgrund des Verlustes von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und der Volatilität der Märkte müssen Landwirte präzise kalkulieren, welche Kulturen noch rentabel sind und Erntemengen absichern, wenn die Preise dies zulassen.


Witterungsrisiken minimieren

Der Klimawandel verlängert zwar die Vegetationszeiten, führt jedoch auch zu extremen Wetterbedingungen, die Ernteerträge mindern können. Eine Diversifizierung durch den Anbau verschiedener Fruchtarten und Sorten kann die Witterungsrisiken minimieren. Der Anbau von Sorten mit unterschiedlichen Reifezeiten optimiert zudem die Nutzung der Erntetechnik und senkt das Risiko von Ertrags- und Qualitätsverlusten.


Vermarktung optimieren

In der Vermarktung besteht oft Verbesserungsbedarf. Viele vernachlässigen strategische Vermarktung der Ernte und verpassen optimale Verkaufszeiten. Die Integration von Preisabsicherungsprogrammen kann daher profitabler sein als die Konzentration auf die Produktion allein.


Kulturartenportfolio überdenken

Zudem lohnt es sich, auf lokale Veränderungen wie Krankheitsspektren zu reagieren und gegebenenfalls die angebauten Fruchtarten zu wechseln.

Ein Beispiel für Anpassungsfähigkeit bieten Roggen, der weniger Ressourcen benötigt und sich für verschiedene Verwendungszwecke eignet, sowie Winterdurum und Hafer, die in bestimmten Regionen und unter spezifischen klimatischen Bedingungen hohe Erträge erzielen können.

Zusätzlich zum Anbau diversifizierter Fruchtfolgen trägt auch die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und -stabilität wesentlich zur Risikominimierung bei. Der Einsatz von Zwischenfrüchten kann beispielsweise helfen, Starkniederschläge besser zu managen und das Bodenleben zu fördern, was wiederum die Ertragsstabilität erhöht.