In der EU 27 + UK hat Deutschland mit ca. 2,1 Mio. Tonnen mit deutlichem Abstand die größte Verarbeitungskapazität für Malz. In der weltweiten Rangliste der Bierproduktion belegt Deutschland mit 85 Mio. Hektoliter (2023) den 5. Platz, innerhalb Europas sogar die „Pole-Position“. Woher die Braugerste als wichtiger Rohstoff für die Malz- und Brauindustrie kommt und welche Optionen sich für eine bessere lokale Versorgung bieten, erläutert Produktmanager und Marktkenner Heinrich Maubach.
Weltweit gesehen ist China mit ca. 360 Mio. HL der größte Bierproduzent. Es folgen die USA (ca. 200 Mio. HL), Brasilien (ca. 148 Mio. HL), Mexiko (ca. 140 Mio. HL) und Deutschland ca. 85 Mio. HL. Die weltweite Entwicklung des Rohstoffbedarfs ist jedoch nicht ausschließlich von der Ausstoßentwicklung abhängig. In der Bierproduktion außerhalb Europas gibt es zudem die Besonderheit der sogenannten „Premiumisierung“. Hiermit ist die steigende Nachfrage nach qualitativ höherwertigen Bieren gemeint, also Bieren mit einem höheren Malzeinsatz. Europa hat – bedingt durch die höchste Malzschüttung pro Hektoliter Bier – einen sehr großen Anteil an Bieren mit hoher Qualität.
Regionale Veränderungen in der Bierproduktion
Die insgesamt rückläufige Bierproduktion in Europa wurde in Deutschland mit einem Minus von etwa 10 % in den letzten 10 Jahren besonders deutlich. Länder mit sehr viel niedrigerer Produktion wie Italien und Spanien hingegen konnten in diesem Zeitraum ihren Bierausstoß um mind. 15 % steigern. Diese regionalen Veränderungen haben auch Auswirkungen auf den Malzmarkt und die Braugerstenmärkte.
Malzmarkt ist in den Ländern extrem unterschiedlich
Der internationale Malzmarkt weist sehr unterschiedliche Strukturen auf. Während sich in Frankreich fast die gesamte Mälzungskapazität auf drei Handelsmälzer stützt, sind in Deutschland 28 Handelsmälzer tätig. Diese beiden Extreme erklären auch den unterschiedlichen Einfluss des primären Erfassungshandels für Braugerste. Hinzu kommt, dass die drei französischen Mälzer mehrheitlich oder zu 100 % im Besitz französischer Kooperativen sind und auch im globalen Ranking die drei größten Malzproduzenten darstellen. Und zusätzlich ist die französische Malzindustrie sehr viel stärker exportorientiert als die deutsche. Da ca. 2/3 der deutschen Malzproduktion im Inland verbraucht wird, sind hierzulande die Mälzer von den Einkaufsentscheidungen der deutschen Brauindustrie relativ abhängig. In Abb. 1 wird deutlich, dass Deutschland, Großbritannien und Frankreich zusammen über 50 % des europäischen Malzes produzieren. Die europäische Produktion macht wiederum knapp 30 % der weltweiten Produktion aus.
Winterbraugerste ist unterschiedlich „beliebt“
Der Anteil an Winter- und Sommerbraugerste ist in den Ländern sehr unterschiedlich. Während in den skandinavischen Ländern fast ausschließlich Sommergerste verarbeitet wird, kommt in Großbritannien zu etwa 15 % auch zweizeilige Wintergerste zum Einsatz. In Frankreich werden sogar je zur Hälfte zweizeilige Sommergersten- und sechszeilige Wintergerstensorten verarbeitet. In Deutschland spielte die Verarbeitung von Winterbraugerste bisher nur eine untergeordnete Rolle, da die Sommerform hier eine lange Tradition hat. Aufgrund der anhaltend knappen inländischen Versorgung mit Sommerbraugerste in den letzten Jahren steigt jedoch der Bedarf an zweizeiliger Winterbraugerste.
Wer entscheidet über Anbaufläche und Sorten?
Europa ist in der Regel insgesamt Selbstversorger für Braugerste. Angebot und Nachfrage müssen allerdings immer wieder international ausgeglichen werden. Zudem steht Braugerste innerhalb der Fruchtfolge immer im Wettbewerb zu anderen Kulturarten. In Großbritannien, Frankreich und besonders Dänemark wird im Mittel der letzten Jahre deutlich mehr Sommerbraugerste produziert als von der jeweiligen Malzindustrie verarbeitet wird. Deutschland hingegen muss je nach Jahr bis zu 50 % des Braugerstenbedarfs aus diesen Ländern importieren, denn als europaweit größter Bierproduzent mit der größten Verarbeitungskapazität für Malz hat Deutschland einen hohen Bedarf an Braugerste. Aber diese Sommerung steht hier in einem sehr harten Wettbewerb zu anderen Kulturarten, sodass hier zu wenig angebaut wird, um den Bedarf zu decken.
Nur ganz wenige Braugerstensorten werden in mehreren Ländern von der jeweiligen Malz- und Brauindustrie für die Verarbeitung und den Anbau empfohlen.
Die Gründe hierfür sind:
- unterschiedliche agroklimatische Sortenanpassungen (maritimes bzw. kontinentales Klima)
- Qualitätsanforderungen in den lokalen Märkten (Malz-Whiskyproduktion in Großbritannien, Exportabhängigkeit in Frankreich, Reinheitsgebot für Bier in Deutschland)
- Primäre Erfassungsstrukturen des Handels begrenzen aus logistischen Gründen das Sortenportfolio stark.
Die unterschiedlichen Auswahlprogramme werden von der jeweiligen nationalen Industrie finanziert und orientieren sich somit an den Vermarktungsschwerpunkten in den einzelnen Ländern. Zugang zu diesen Programmen erhalten i. d. R. nur Sorten, die offiziell geprüft wurden und eine Sortenzulassung des jeweiligen Landes erhalten haben.
Diese Faktoren könnten den heimischen Braugerstenanbau attraktiver machen:
Der internationale Braugerstenhandel trägt zwar zur Rohstoffsicherung bei. Die extremen Wetterbedingungen der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass auch die Handelsströme innerhalb Europas starken Schwankungen unterliegen.
Hinzu kommen zunehmende Unsicherheiten und steigende Kosten in der Logistik: Schwankende Wasserstände machen den Transport über die Flüsse zeitlich unkalkulierbarer und beim Straßentransport schlagen die verhältnismäßig höheren Kosten für die CO2-Abgaben immer mehr zu Buche. Durch diese Faktoren könnte zukünftig die heimische Braugerstenproduktion bei den Einkäufern an relativer Vorzüglichkeit gewinnen.
Ein weiterer Punkt sind auch zunehmende Betriebsgrößen besonders in den westdeutschen Bundesländern. Größere Betriebe verfügen sehr oft über geeignete Lagermöglichkeiten und dies eröffnet auch für die Braugerste Chancen auf eine aktivere Vermarktung einheitlicher Partien, da der überregionale Braugerstenhandel zur Bedarfsdeckung auf diese Lager zugreifen kann.
→ Heimische Braugerstenproduktion trägt also zur Beschaffungssicherheit der verarbeitenden Stufen bei!
Fazit
Eine aktivere Vermarktung im Verbund mit einer „transportunabhängigeren“ Produktion werden für die Wirtschaftlichkeit der Braugerstenproduktion an Bedeutung gewinnen, erfordern allerdings auch gute Marktkenntnisse. Eine eigene betriebliche oder überbetriebliche Lagermöglichkeit bietet zusätzlich die Chance für eine individuellere Sortenwahl, die dann wieder einzelbetriebliche agronomische Vorteile bieten kann oder wirtschaftliche Vorteile bei der Vermarktung hat. Wichtig ist die Akzeptanz der Sorte bei den potenziellen Aufkäufern und Verarbeitern. Ein sortenreines Zusatzangebot neben den „Mainstream-Sorten“ und eine individuellere Vermarktung können deutliche Vorteile für die gesamte Wertschöpfungskette im Bierland Deutschland mit sich bringen.
Schnell gelesen (Kurzfassung):
China ist der größte Bierproduzent weltweit, gefolgt von den USA, Brasilien und Mexiko. In der Bierproduktion außerhalb Europas gibt es die sogenannte „Premiumisierung“ – die ie steigende Nachfrage nach qualitativ höherwertigen Bieren gemeint, also Bieren mit einem höheren Malzeinsatz im Brauprozess. Europa hat bedingt durch die höchste Malzschüttung pro Hektoliter Bier einen sehr großen Anteil an Bieren mit hoher Qualität.
Die Bierproduktion in Deutschland ist in den letzten zehn Jahren um 10 % gesunken, während Länder wie Italien und Spanien ihre Produktion steigern konnten. Diese Veränderungen betreffen auch die Märkte für Malz und Braugerste. IN den einzelnen Ländern ist Malzmarkt sehr unterschiedlich strukturiert. Während sich in Frankreich die Mälzungskapazität auf drei Unternehmen stützt, sind in Deutschland 28 Handelsmälzer tätig. In Deutschland werden zwei Drittel der Malzproduktion im Inland verbraucht, was die Abhängigkeit von der deutschen Brauindustrie verstärkt.
Trotz der allgemeinen Selbstversorgung mit Braugerste muss Deutschland große Mengen (überwiegend aus Frankreich, Großbritannien und Dänemark) importieren, um den aufgrund seiner großen Bierproduktion bestehenden hohen Bedarf zu decken. Nur wenige Braugerstensorten werden in mehreren Ländern gleichzeitig anerkannt, was auf unterschiedliche klimatische Bedingungen, Qualitätsanforderungen und logistische Herausforderungen zurückzuführen ist. Der Anbau von Braugerste variiert stark zwischen den Ländern: Während in Skandinavien hauptsächlich Sommergerste verwendet wird, wird in Großbritannien und Frankreich auch Winterbraugerste eingesetzt. In Deutschland hat Winterbraugerste bisher eine geringe Rolle gespielt, aber aufgrund knapp werdender Sommerbraugerste steigt auch hier der Bedarf.
Die extreme Wetterlage der letzten Jahre hat gezeigt, dass der internationale Handel mit Braugerste schwankungsanfällig ist. Höhere Logistikkosten und unberechenbare Transportbedingungen könnten also die heimische Braugerstenproduktion attraktiver machen. Zudem haben die zunehmend größere Betriebe bessere Lagerungsmöglichkeiten, die eine aktivere Vermarktung ermöglichen.
Das alles sind Faktoren, die heimische Sommerbraugerste für die Verarbeiter attraktiver machen.
Für die Zukunft wird erwartet, dass eine aktivere Vermarktung und eine weniger transportabhängige Produktion entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der Braugerstenproduktion sind. Eine individuellere Sortenwahl könnte agronomische und wirtschaftliche Vorteile bringen, vorausgesetzt, die Sorten werden von potenziellen Käufern akzeptiert. Ein sortenreines Zusatzangebot kann Vorteile für die gesamte Wertschöpfungskette im deutschen Biermarkt bieten.