Nach Schätzung des Bauernverbandes wurden 2024 insgesamt 39,3 Millionen Tonnen Getreide geerntet, was den negativen Trend der letzten zehn Jahre fortsetzt.
Besonders betroffen ist der Weizen, dessen Erntemenge auf schätzungsweise 18 Millionen Tonnen gesunken ist (21,3 Millionen Tonnen 2023). Dies beruht einerseits auf der deutlich reduzierten Anbaufläche, andererseits auf erneut gesunkenen Durchschnittserträgen (72,4 dt/ha). Trotz des Ertragsrückganges lag der durchschnittliche Rohproteingehalt bei nur 11,4 % TM – der niedrigste Wert der letzten 10 Jahre! Dr. Gunnar Kleuker erläutert, welche Maßnahmen diesem Trend entgegenwirken können.
Witterung 2023/24
Die Anbausaison 2023/24 war in vielen Regionen durch weit überdurchschnittliche Niederschläge geprägt. Diese verhinderten in vielen Regionen im Norden und Nord-Westen die vollständige Aussaat des Wintergetreides. Die nutzbare Feldkapazität lag in fast ganz Deutschland ab Mitte/Ende Oktober bis in das Frühjahr hinein bei über 100 %, was die Jugendentwicklung der Bestände negativ beeinflusste. Denn: In Wasser findet der Gasaustausch 10.000 Mal langsamer statt als an der Luft. Das bedeutet, dass in wassergesättigten Böden der Gasaustausch mit der Umgebungsluft deutlich langsamer stattfindet und sich durch die Atmung der Wurzeln und anderer Organismen CO2 anreichert. Innerhalb weniger Stunden kann ein kritischer O2-Gehalt erreicht werden, ab dem die Wurzeln von aerober auf anaerobe Atmung umschalten, und die ist circa 15 Mal ineffizienter! Die gewonnene Energie reicht dann nur noch zum Erhalt der Zellfunktionen aus, Wurzelwachstum und Wurzelneubildung werden deutlich reduziert. Dadurch verringert sich auch die potenzielle Nährstoffaufnahme und die Anfälligkeit für zukünftigen Trockenstress steigt.
Ein sehr warmer Februar und März führten zu einer schnellen vegetativen Entwicklung der Pflanzen und einer verringerten Zeit zur Wurzelbildung und Bestockung. Der Winterweizen schob im Schnitt am 21.05. die Ähren, 9 Tage früher als normal. Diese schnelle Entwicklung hat bei geringer Wurzelentwicklung vermutlich auch zu latentem oder induziertem Nährstoffmangel geführt.
Im April, während der großen Periode, war die Einstrahlung nahezu bundesweit deutlich niedriger als im langjährigen Schnitt. Studien zeigten, dass eine reduzierte Einstrahlung auch vor der Blüte einen stark negativen Effekt auf die Ertragsbildung, insbesondere auf die Kornzahl/m2 haben kann. Bei frühen Winterweizen- und Wintergerstensorten könnte dies auch einen Effekt auf die Kornausbildung gehabt haben. Regional gab es ab dem Ährenschieben erneut überdurchschnittliche Niederschlagsmengen, die zu Staunässe während der Blüte führten.
Die zu hohen Niederschlagsmengen während der Vegetation begünstigten in den meisten Regionen zudem einen hohen Krankheitsdruck und verhinderten gleichzeitig die termingerechte Fungizidapplikation.
Stellschrauben zur Ertragsstabilisierung
Es gibt eine Reihe von ackerbaulichen Stellschrauben, die helfen, zukünftige Ernten zu verbessern und zu stabilisieren.
1. Bodenstruktur
Eine gute Bodenstruktur ist sowohl bei Trockenheit als auch bei Nässe essenziell. Fehler in der Bodenbearbeitung oder durch schwere Maschinen hervorgerufene Sperrschichten verhindern eine gute Wasserdrainage und eine gute Wurzelentwicklung. Eine Verbesserung der Bodenstruktur ist dann essenziell, um eine bessere Wasserinfiltration und einen besseren Gasaustausch zu gewährleisten.
Gasaustausch und Wasserhaushalt beeinflussen auch die Nährstoffdynamik im Boden. Durch eine hohe Wassersättigung kann kurzfristig die Verfügbarkeit von Nährstoffen wie Fe2+ und Mn2+ steigen, jedoch nimmt dann auch die Auswaschungsgefahr für diese und weitere Nährstoffe (N, S, Mg, K, Ca, B) zu. Es kann zu massiven gasförmigen N-Verlusten kommen.
Der Aufbau einer guten Bodenstruktur ist ein langfristiges und leider auch störanfälliges Projekt. Während trockene Jahre häufig durch Schrumpfungsprozesse und Rissbildung zu einer selbstständigen Tiefenlockerung des Bodens führen, können feuchte Bedingungen zu Ernte und Aussaat zu deutlichen Schäden führen. Wichtig ist daher, das Bodengefüge nach allen lockernden Maßnahmen durch Lebendverbauung zu stabilisieren. Zwischenfrüchte spielen hier eine wichtige Rolle, da die Phase mit aktiven Wurzeln im Boden verlängert wird. Die stabilisierende Wirkung auf das Bodengefüge wird insbesondere durch Artenmischungen mit unterschiedlichen Wurzelstrukturen verbessert. Zudem fördert der regelmäßige Anbau von Zwischenfrüchten den Humusaufbau. Da Humus im Boden kontinuierlich abgebaut wird, muss organische Substanz kontinuierlich zugeführt werden. Für den Humusaufbau ist dabei die Substanz wichtig, die nicht sofort abgebaut wird.
Schon ein Humusaufbau von 0,5 % kann die Wasserspeicherkapazität des Bodens um 1,5 bis 1,8 % erhöhen (ca. 7–8 mm) und die Lagerungsdichte verringern, was die Widerstandsfähigkeit des Bodens gegenüber Trockenphasen steigert. Zwischenfrüchte erhöhen außerdem die biologische Aktivität im Boden: Regenwürmer und Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien verbessern durch ihre Aktivitäten die Bodenstruktur. Regenwürmer schaffen tiefe Röhren, die das Wasser besser versickern lassen, Bodenorganismen bilden durch ihre Ausscheidungen stabile Bodenaggregate, die die Krümelstruktur des Bodens fördern. Auch aktive und abgestorbene Wurzeln von Zwischenfrüchten tragen zur Bildung und Stabilisierung dieser Bodenkrümel bei. Eine bessere Bodenstruktur hat somit unter trockenen wie auch feuchten Bedingungen erhebliche Vorteile.
2. Fruchtfolge
Auch die Fruchtfolge und die Sortenwahl müssen an die sich ändernden klimatischen Bedingungen angepasst werden, um die Pflanzen robuster gegen Klimaschwankungen und extreme Wetterbedingungen zu machen. Über die Fruchtfolgegestaltung ist es möglich, sowohl den Krankheitsdruck zu verringern, als auch die Effizienz der Stickstoffausnutzung zu erhöhen. In der praxisnah-Ausgabe 03/2023 wurde bereits die Vorfruchtwirkung auf den Ertrag und Proteingehalt von Winterweizen thematisiert. Günstige Vorfrüchte wie Leguminosen oder Winterraps konnten Ertrag und Proteingehalt steigern. Diese Vorfrüchte erhöhen nicht nur die Nährstoffverfügbarkeit für die Folgefrucht, sondern erhöhen auch deren Resilienz.
3. Sortenwahl
Eine weitere Stellschraube ist die Sortenwahl. Im Weizen hat sich in den letzten Jahren die Reifespreizung der Sorten deutlich erweitert. In trockenen Jahren haben sich die besonders frühen Sorten als sehr ertragreich erwiesen, im nassen Jahr 2024 jedoch haben diese Sorten am stärksten unter der Witterung gelitten. Die Effekte sind ähnlich wie bei der Wintergerste: Diese Kultur war in den vergangenen trockenen Jahren regional deutlich ertragreicher und -stabiler, in diesem Jahr vielerorts jedoch meist ertragsschwächer als der Winterweizen. In Zukunft sollte man daher bei der Anbauplanung sowohl über die Kulturen, als auch über Sorten die kritischen Entwicklungsphasen wie Blüte und Kornfüllung entzerren, um das Risiko von Stressereignissen zu verringern. Bei einer hohen Krankheitsbelastung, wie sie in feuchten Jahren auftritt, sind krankheitsresistente Sorten wie z. B. SU Jonte, Informer und SU Magnetron besonders vorteilhaft, da sie das Risiko von Ertragseinbußen mindern. Dies war 2024 besonders gut in den Landessortenversuchen zu beobachten.
Fazit
Das Erntejahr 2024 hat erneut gezeigt, wie wichtig es ist, sich ackerbaulich an die sich verändernden Witterungsbedingungen zu adaptieren. Durch gezielte Anpassungen in der Ackerbaustrategie und die bewusste Auswahl von Zwischenfrüchten, Fruchtfolgen und Sorten lassen sich die negativen Auswirkungen des Klimawandels zumindest teilweise abfedern und die Erträge stabilisieren.
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Die Anbausaison 2023/24 litt unter überdurchschnittlichen Niederschlägen, die die Aussaat des Wintergetreides in den nördlichen Regionen verhinderten. Die Feldkapazität war oft über 100 %, was das Wurzelwachstum negativ beeinflusste. In wassergesättigten Böden ist der Gasaustausch langsamer, was zu einem Sauerstoffmangel in den Wurzeln führen kann. Auch die schnelle Pflanzenentwicklung im warmen Februar und März beeinträchtigte die Wurzelbildung. Während der Blüte gab es erneut hohe Niederschläge, die Staunässe erzeugten und somit den Ertrag gefährdeten.
Um Erträge in Zukunft zu stabilisieren, gibt es mehrere Maßnahmen:
Eine gute Bodenstruktur ist entscheidend für die Wasseraufnahme und Wurzelentwicklung. Fehler bei der Bodenbearbeitung können zu schlechten Wasserdrainagen führen. Der Aufbau einer gesunden Bodenstruktur ist ein langfristiger Prozess, der durch Zwischenfrüchte unterstützt werden kann. Diese fördern die biologische Aktivität im Boden.
Die Auswahl der Fruchtfolge und Sorten
Die Fruchtfolge sollte an die klimatischen Veränderungen angepasst werden, um den Krankheitsdruck zu verringern und die Stickstoffnutzung zu optimieren. Günstige Vorfrüchte wie Leguminosen können den Ertrag steigern.
Die Sortenwahl sollte die Unterschiede in der Reife berücksichtigen; Je nach Jahreswitterung werden mal die frühen und mal die späteren Sorten begünstigt. Krankheitsresistente Sorten können vor allem in feuchten Jahren ihr Vorteile ausspielen.
Das Erntejahr 2024 zeigt, wie wichtig Anpassungen an sich ändernde Wetterbedingungen sind. Durch bewusste Entscheidungen in der Ackerbaustrategie, wie die Wahl von Zwischenfrüchten und der Anpassung der Fruchtfolgen, können die negativen Effekte des Klimawandels gemildert und die Erträge stabilisiert werden.