Qualitätsweizen – Wie mit niedrigen Proteinwerten umgehen?

Qualitätsweizen – Wie mit niedrigen Proteinwerten umgehen?

Die starke Einschränkung der N-Düngung in Roten Gebieten und auch die hohen Preise von Düngemitteln führen zu einem immer geringeren N-Düngungsniveau. Welche Auswirkungen hat das auf die Weizenqualität und wie soll der Erfassungshandel künftig damit umgehen? Eine Einschätzung von Martin Munz, Fachberater der SAATEN-UNION für Baden-Württemberg.

Fakt ist, dass der Eiweißgehalt des Weizens stark von der Stickstoffversorgung abhängt. Das Julius-Kühn-Institut hat das in einem dreijährigen Versuch 2017-2019 an zwei Orten mit 12 Weizensorten bestätigt. Eine gegenüber dem Bedarfswert um 20 % reduzierte N-Düngung (Rote Gebiete) führte bei den A-Weizen zu einem um 1,4 % absolut geringeren Eiweißgehalt (rel. 9 %), während der Ertrag um 4 dt/ha (rel. 5,8 %) zurückging.

Innerhalb der Wertschöpfungskette der Qualitätsweizenproduktion werden die verschiedenen Qualitätsparameter unterschiedlich bewertet und gewichtet.


Züchter: Backvolumen und Fallzahl sind wichtig.

Für den Züchter steht bei der Sortenentwicklung das Backvolumen an erster Stelle, denn die Volumenausbeute entscheidet letztlich, ob aus einer neuen Sorte ein E-, A-, B-Weizen wird oder eventuell gar nur ein Futterweizen. Als weiteres stark von der Sorte bestimmendes Merkmal ist die Fallzahl und hier besonders die Auswuchsfestigkeit zu nennen. Es gibt immer wieder Jahre, wie auch 2023, in dem nennenswerte Flächen druschreif auf dem Acker stehen und aufgrund regenreicher Witterung nicht gedroschen werden können. In dieser nicht beeinflussbaren Situation können nur fallzahlstabile Sorten eine gewisse Ernteflexibilität bieten. Der Eiweißgehalt einer Weizensorte wird zwar weiterhin bestimmt und beschrieben, wird jedoch bereits seit 2019 vom Bundessortenamt nicht mehr herangezogen, um eine Sorte den verschiedenen Qualitätsgruppen zuzuordnen. Dies deshalb, weil der Proteingehalt hohen Umwelteinflüssen unterliegt und bei den modernen Weizensorten vielfach keine enge Korrelation mehr zur Backqualität besteht.


Erfassungshandel: Rohprotein bleibt entscheidend.

Trotzdem trennt der Erfassungshandel nach wie vor seine Qualitäten nach Proteingehalt und bezahlt proteinreichere Partien besser. Somit kann es vorkommen, dass Weizensorten mit A-Qualität, die bereits bei 12 % Eiweißgehalt ein hohes Backvolumen haben, im „B-Silo“ landen und auch entsprechend bezahlt werden. Weil es bislang keine Alternative gibt, um unmittelbar an der Gosse die Weizenqualität zu beschreiben, behilft man sich eben immer noch mit der Analyse des Eiweißgehaltes. Die meisten A-Weizen, welche aktuell aufgrund ihrer hohen Ertragsleistung angebaut werden, sind im Proteingehalt vom Bundessortenamt mit der Note 4 (niedrig-mittel) eingestuft. Dennoch können die Eiweißgehalte dieser Sorten um fast 1 % auseinanderliegen. Die Tabelle 1 zeigt die Streubreite dieser Sorten in den Landessortenversuchen 2022 aus Baden-Württemberg und Bayern.


RP-Gehalte WInterweizen, Einstufung 4
RP-Gehalte WInterweizen, Einstufung 4


In der Mühle: Backversuche
In der Mühle: Backversuche
Mühle und Bäcker: Hier zählen Mehlausbeute, Backvolumen und Teigeigenschaften.

Nach der Erfassung wandert der Weizen in die Mühle. Hier interessieren verständlicherweise die Mahleigenschaften - insbesondere die Mehlausbeute. Und es wird auch auf die Wünsche der nächsten Stufe, der Bäckerei, geachtet.

Alle Parameter, die gute Backeigenschaften ausmachen, sind relevant für die Arbeit in der Bäckerei. Hier schließt sich der Kreis, ist man in der Backstube doch auch an einem hohen Backvolumen interessiert. Das Backverhalten eines Mehles hängt maßgeblich von den Teigeigenschaften ab. Unterschiede bei den Sorten gibt es in der Elastizität und der Oberflächenbeschaffenheit des Teiges.


Wie soll nun der Erfassungshandel künftig vorgehen, um die Qualitäten gerechter zu erfassen?

Möglichkeit 1: sortenreine Erfassung

Der Idealfall wäre eine sortenreine Erfassung. Denn nur durch Kenntnis der Sorte sind auch Partien mit geringeren Proteingehalten gut zu vermarkten. Jedenfalls dann, wenn es sich um eine Sorte handelt, die bereits bei z. B. 12 % Protein eine gute A-Qualität für den Bäcker erzielt. Erste Mühlen mit Direkterfassung gehen bereits diesen Weg. Eine sortenreine Erfassung macht jedoch aus pflanzenbaulicher Sicht keinen Sinn, würde es dann Verhältnisse wie bei Braugerste schaffen. Hier kommen nur wenige Sorten in den Anbau und die Sortenvielfalt würde auch bei Weizen massiv eingeschränkt werden. Um die Resistenzeigenschaften in den Weizensorten gerade bei aktuellen Forderungen nach einer Einschränkung des chemischen Pflanzenschutzes möglichst lange zu erhalten, bedarf es einer gewissen Vielfalt an Sorten im Anbau. Außerdem benötigen die stark unterschiedlichen Standortbedingungen und Klimaräume entsprechend angepasste Sorten.


Möglichkeit 2: Sorten in Gruppen erfassen

Ein Kompromiss wäre, die Sorten in Gruppen zu erfassen. Dabei werden Sorten mit vergleichbaren Eigenschaften zusammen erfasst. Die Landesanstalt in Bayern empfiehlt ein solches Vorgehen schon seit einigen Jahren (Abb.2). Richtig umgesetzt in der Praxis wurde es bislang noch kaum.


Bildung von Sortengruppen
Bildung von Sortengruppen


In der Produktionstechnik umdenken!

Durch die Forderung nach einer ausgeglichenen Stickstoffbilanz wird künftig die N-Düngung eher weiter zurückgefahren. Somit wird es nicht einfach werden, weiter qualitativ hochwertige Weizenpartien produzieren zu können. Deshalb muss im Pflanzenbau umgedacht werden! Stoppelweizen wird weiter verlieren und Fruchtarten, die Stickstoff in den Kreislauf bringen, müssen in die Fruchtfolge integriert werden. Hier sind an erster Stelle grobkörnige Leguminosen wie z.B. Ackerbohnen und Erbsen zu nennen, von denen die nachfolgenden Früchte auch noch im zweiten Jahr profitieren. Eine gute Möglichkeit bieten in diesem Zusammenhang auch leguminosenhaltige Zwischenfruchtmischungen. Stickstoff kann man nicht nur streuen, sondern auch aussäen.

Bei der Sortenentwicklung werden Effizienzeigenschaften eine größere Rolle spielen. Weizensorten, die aus dem angebotenen Stickstoff den höchsten Proteinertrag bilden, sind künftig gefragt. Hier gibt es durchaus eine genetische Variabilität. Das Bundessortenamt hat in seiner neuen beschreibenden Sortenliste das Weizensortiment hinsichtlich N- und Proteineffizienz erstmals beschrieben (Abb.2).


Protein-Effizienz und N-Effizienz
Protein-Effizienz und N-Effizienz


Fazit

Eine Reduktion des N-Angebots führt zwar zu geringeren Eiweißgehalten, beeinträchtigen jedoch kaum die Backqualität. Gute Ergebnisse im Backvolumen können auch von geeigneten Sorten mit weniger Protein erreicht werden. Bei einer Erfassung nach Sortengruppen mit vergleichbaren Teigeigenschaften können auch Partien mit geringeren Rohproteingehalten vermarktet werden. Anpassungen der Fruchtfolge und Zwischenfruchtanbau mit Leguminosen erhöhen die Bodenfruchtbarkeit und unterstützen die Nährstoffversorgung in der Produktion von Qualitätsweizen. Sorten mit einer breiten Resistenzausstattung kommen der Forderung nach weniger chemischem Pflanzenschutz entgegen. Mehrjährig ertragsstabile Sorten bieten mehr Sicherheit gegenüber stark schwankender Jahreswitterung.