Klein, aber oho – auch viele kleine Maßnahmen helfen der Artenvielfalt

Klein, aber oho – auch viele kleine Maßnahmen helfen der Artenvielfalt

Jedes Jahr mit der Abgabe des Agrarförderantrages stellt sich für viele landwirtschaftliche Betriebe die Frage, inwieweit geförderte Maßnahmen zur Erhöhung der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft in Anspruch genommen werden können. Aber auch kleinflächige, gut platzierte Maßnahmen sind besonders effizient, wenn sie im Zusammenhang mit der Landschaft und vorhandenen Strukturen geplant werden. Nora Kretzschmar und Marcus Polaschegg, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, erläutern Möglichkeiten.

Die viel diskutierte Frage, wie landwirtschaftliche Betriebe am besten aktiv die Biodiversität auf ihren Flächen fördern können, wird oftmals viel zu häufig und pauschal so beantwortet: mit Stilllegungen und der Anlage von Blühstreifen bzw. -flächen. Eine Förderung dieser Maßnahmen wird in den Bundesländern über die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen seit Langem in unterschiedlichen Varianten angeboten. Die Anlage kann aber auch außerhalb einer Förderung z. B. als Bejagungsschneise/Biodiversitätsstreifen oder auch als Wildäsungsflache im GAP-Antrag codiert werden. Damit lassen sich Auflagen nahezu vollständig umgehen und mitunter viel wirksamere Ergebnisse erzielen – ohne Förderung, aber dafür selbstbestimmt und (fast) ohne Sanktionsrisiko.


Integration von Biodiversitätsmaßnahmen in die Produktion

Doch die Palette der betrieblichen Möglichkeiten, etwas für die Artenvielfalt zu tun, geht weit über die Bereitstellung von Brach- und Blühflächen hinaus. Es gibt zunehmend Förderangebote, die eine Integration von Biodiversitätsmaßnahmen in die Produktion zum Ziel haben.

  1. Ein lichter Getreidebestand durch reduzierte Aussaatstärke oder doppelten Saatreihenabstand ohne Behandlung gegen Zweikeimblättrige fördert z. B. Ackerwildkräuter und schafft Brut- und Nahrungshabitate für Insekten und Feldvögel. Die Maßnahme eignet sich bevorzugt auf ertragsschwachen Standorten.
  2. Auf anderen Standorten kann über eine Untersaat z. B. mit Kleearten das Nahrungsangebot für Insekten erhöht und nach der Ernte der Hauptfrucht als Begrünung auf der Fläche fortgeführt werden.
  3. Bei der Anlage von Feldvogelinseln in einem Getreide- oder Rapsschlag wird auf einer Fläche von 0,25 ha bis 1,5 ha auf eine Aussaat verzichtet oder statt der Kultur eine Leguminosenmischung ausgesät.
  4. Kleinere Fehlstellen im Getreide durch Ausheben der Sämaschine („Lerchenfenster“) oder durch Anlage von kurzen zusätzlichen „Fahrgassen“ schaffen Einflugmöglichkeiten für Lerchen in dichten Getreidebeständen.

    weite Reihe
    weite Reihe


Schadflächen sinnvoll „nicht nutzen“

In fast jedem Jahr kommt es in Kulturen zu Teilausfällen z. B. durch Kahlfrost oder wie 2023/2024 vielerorts durch Nässe. Was macht man mit Schlägen, die schwer geschädigt aus dem Winter gekommen sind? Spätestens dann, wenn die Kosten für eine Neubestellung und eine separate Beerntung von Teilflächen die zu erwartenden Erlöse übersteigen, stellt sich die Frage nach sinnvollen Alternativen. In diesen Fällen sollte in Betracht gezogen werden, solche Flächen für die Förderung von Insekten und Feldvögeln bereitzustellen.

Die tatsächlich einfachste Maßnahme für bodenbrütende Vogelarten wie Lerchen, Rebhühner, Wachteln und Kiebitze ist: Solche Flächen einfach unberührt liegen lassen! Da gerade Flächen innerhalb von Getreideschlägen nicht gut von Nesträubern wie Füchsen, Mardern, Waschbären und Marderhunden erreicht werden können, können sie ohne Aufwand zu wertvollen Brut- und Nahrungshabitaten werden. Für Kiebitze sind gerade größere Freiflächen in Beständen extrem förderlich, da diese Art großflächige „Rundumsicht“ benötigt. Eine Behandlung dieser Inseln gegen Beikräuter sollte dann bestenfalls wegen der Deckung und Nahrung für die Küken unterbleiben.

Offene Bodenflächen liefern zudem wertvolle Nisthabitate auch für bodenlebende Insekten, insbesondere für viele kleine Wildbienenarten, die ihre Niströhren in den Boden graben und keine Staaten bilden. Da Wildbienen-Larven bis zum Schlupf im nächsten Frühjahr ca. 11 Wochen Bodenruhe benötigen, sollten Flächen dann bis dahin in Ruhe gelassen werden. Aber auch Nützlinge wie Laufkäfer, Marienkäfer, Florfliegen, Schlupfwespen und Schwebfliegen profitieren von offenen, besonnten Bodenstellen. Diese sind „schlagkräftige Verbündete“ bei der Regulierung von Blattläusen, Rapsglanzkäfern oder Getreidehähnchen. Aber nicht vergessen: Die meisten Insekten benötigen Blüten als Nahrungsgrundlage.


Regeln für die Anlage von Blühflächen

Für alle Formen der Anlage von Blühflachen und -streifen gelten wenige, aber ganz zentrale Regeln in Bezug auf die Auswahl der Mischung, die Aussaatstärke und die Ablagetiefe: Nur Vielfalt fördert Vielfalt und weniger ist mehr! Denn nur eine Pflanzenvielfalt in der Mischung fördert auch die Insektenvielfalt wirksam und lichte Bestande durch geringe Aussaatstärken bieten viel mehr Arten Lebens- und Rückzugsraum. Bei hochwertigen Mischungen reicht sogar schon 1 g/m²! Und ganz wichtig für die Aussaat: Die Samen der meisten wertvollen Pflanzenarten dürfen nur ganz flach abgelegt werden (Herbstkeimer/Lichtkeimer). Am besten hat sich ein oberflächiges Ausstreuen in die Stoppel oder auf das Saatbett mit dem Pneumatikstreuer mit anschließendem Anwalzen mit Cambridge- oder Stabwalze bewährt. Die ungewünschte Entmischung des Saatgutes im Saatguttank kann durch Beimengung von Soja- oder Maisspindelschrot unterbunden werden.


Auch mal beim Podcast zu diesem Thema reinhören!

Das Bild ist mit der Podcastfolge verlinkt.


Beratungsangebote nutzen

Auf jedem Betrieb lassen sich somit viele kleinere Maßnahmen auch ohne großen Flächenverbrauch und Investitionen und damit auch ohne wirtschaftliche Verluste umsetzen, um die Artenvielfalt zu fördern. Es steht ein ganzer „Blumenstrauß“ von Maßnahmen zur Verfügung. Auch vielfältige Fruchtfolgen, Mischkulturen, Wildpflanzenmischungen für die Biogasnutzung, extensive Grünlandbereiche, Staffelmahd, die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, Maßnahmen zur Wildtierrettung u. v. m. leisten Beiträge zur Förderung der Artenvielfalt und schonen die Umwelt. Dort, wo betriebliche Zwänge eine extensivere Nutzung von Flächen nicht zulassen bzw. keine Finanzierungsmöglichkeiten für Artenschutzmaßnahmen auf der Produktionsfläche bestehen, können bereits durch die Pflege und Entwicklung von Randstrukturen, Hecken oder weiteren Elementen in der Landschaft wertvolle Lebens- und Rückzugsräume erhalten und aufgewertet werden. Um die Betriebe hierbei kompetent zu unterstützen und zu begleiten, betriebliche Potenziale aufzuzeigen und bei der Umsetzung zu helfen, werden in vielen Bundesländern Beratungsangebote zur Steigerung und zum Erhalt der Artenvielfalt gefördert.


Feldtag zur Biodiversität der LWK Niedersachsen
Feldtag zur Biodiversität der LWK Niedersachsen


Fazit

Einige Bundesländer, z. B. Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Niedersachsen investieren in Beratungsangebote, die bewusst nicht auf den Einzelbetrieb, sondern auf ganze Landschaftsräume abzielen. Gemeinsam mit Naturschutzbehörden, Kommunen und den verschiedensten Personengruppen werden Konzepte erarbeitet, welche charakteristischen Arten und/oder Strukturen eine konkrete Förderung, Pflege und Entwicklung benötigen. Die Beratung von Betrieben und z. B. Kommunen soll dann unter Einbindung weiterer Akteure und Initiativen sowie sämtlicher Flächenpotenziale in der Landschaft Maßnahmen in die Umsetzung bringen – gezielt, wirksam und gemeinschaftlich. Nur so gelingt die erforderliche Vernetzung, um den Arten ausreichend Ausbreitungs-, Lebens- und Rückzugsräume zur Verfügung zu stellen. Und aus landwirtschaftlicher Sicht steht dabei eines fest: Nur eine hohe Wirksamkeit aller Maßnahmen zusammen hilft am Ende, wertvolle Produktionsfläche zu schonen. Nutzen Sie daher die Beratungsangebote der Länderdienststellen!

Bildquelle: Kretzschmar, Bartels


Schnell gelesen (Kurzfassung):

  • Kleinflächige Maßnahmen: Kleinflächige, gut platzierte Maßnahmen können besonders effizient sein, wenn sie im Zusammenhang mit der Landschaft und vorhandenen Strukturen geplant werden. Beispiele sind Stilllegungen, Blühstreifen, Bejagungsschneisen und Biodiversitätsstreifen. Diese Maßnahmen können entweder gefördert werden oder als Teil des GAP-Antrags codiert werden, um Auflagen zu umgehen und wirksamere Ergebnisse zu erzielen.
  • Integration in die Produktion: Neben Brach- und Blühflächen gibt es zunehmend Förderangebote, die eine Integration von Biodiversitätsmaßnahmen in die Produktion ermöglichen:
  • Lichter Getreidebestand: Reduzierte Aussaatstärke oder doppelter Saatreihenabstand fördern Ackerwildkräuter und bieten Brut- und Nahrungshabitate für Insekten und Feldvögel.
  • Untersaaten: Beispielsweise mit Kleearten erhöhen das Nahrungsangebot für Insekten und dienen nach der Ernte der Hauptfrucht als Begrünung.
  • Feldvogelinseln: Auf kleinen Flächen wird auf eine Aussaat verzichtet oder eine Leguminosenmischung ausgesät.
  • Lerchenfenster: Kleinere Fehlstellen im Getreide schaffen Einflugmöglichkeiten für Lerchen.
  • Schadflächen nutzen: Teilausfälle in Kulturen, z.B. durch Kahlfrost oder Nässe, bieten die Möglichkeit, diese Flächen für Insekten und Feldvögel bereitzustellen, indem man sie unberührt lässt.

Regeln für Blühflächen: Für die Anlage von Blühflächen und -streifen gelten wichtige Regeln:

  • Vielfältige Pflanzenmischungen fördern die Insektenvielfalt.
  • Geringe Aussaatstärken bieten mehr Lebensraum.
  • Samen sollten flach abgelegt werden.
  • Oberflächiges Ausstreuen und Anwalzen haben sich bewährt.

Beratungsangebote: Es gibt zahlreiche kleinere Maßnahmen, die ohne großen Flächenverbrauch und Investitionen umsetzbar sind. Vielfältige Fruchtfolgen, Mischkulturen, extensive Grünlandbereiche und Maßnahmen zur Wildtierrettung leisten ebenfalls Beiträge zur Förderung der Artenvielfalt. Beratungsangebote in verschiedenen Bundesländern unterstützen landwirtschaftliche Betriebe bei der Umsetzung dieser Maßnahmen und helfen, betriebliche Potenziale zu erkennen und zu nutzen.