Hagelschaden – was kann die Sojabohne kompensieren?

Hagelschaden – was kann die Sojabohne kompensieren?

Im Zuge des Klimawandels nehmen Extremwetterereignisse zu. Hagel, Sturm, Starkregen, Frost und Dürre stellen eine erhebliche Bedrohung für alle Kulturpflanzen dar. Auch die Sojabohne (Glycine max) – eine Kultur, die in der letzten Dekade in Deutschland kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat – bleibt davon nicht verschont. Grund genug für die Vereinigte Hagelversicherung VVaG, in gezielten Versuchen auf der SAATEN-UNION Versuchsstation Bayern die Folgen eines Blattverlustes auf den Ertrag bei Sojabohnen zu ermitteln. Dr. André Schaffasz und Daniela Grill berichten.

Insbesondere im Süden Deutschlands ist die Sojabohne seit gut einer Dekade vermehrt auf den Feldern anzutreffen. Mit einer Anbaufläche von über 40.000 ha in Deutschland für 2024 kann die Sojabohne mittlerweile zu den etablierten Kulturen gezählt werden.

Frühere Studien aus den USA haben gezeigt, dass bei der Sojabohne ein hagelbedingter Blattverlust, neben Knickungen und Brüchen, einen besonderen Einfluss auf den Ertrag haben kann. Im Gegensatz zu den anderen großkörnigen Leguminosen in Deutschland wie Ackerbohne, Erbse und Lupine, bei denen der Blattverlust während der Schadenregulierung über die Schadbilder Brüche und Knickungen bewertet wird, stellt der Blattverlust bei der Sojabohne ein eigenständiges Schadbild dar. Für dieses existierten bislang nur abgeleitete Werte für den Blattverlust. Grund genug, die Auswirkungen der Blattschäden auf den Ertrag der Sojabohnen in umfassenden Exaktversuchen zu ermitteln. Neben dem Blattverlust gibt es weitere Schadbilder wie Totalpflanzenverlust, Brüche, Knickungen und Körnerverluste, die in diesem Versuch nicht simuliert wurden.

Die Versuchsfrage lautete: Wie hoch ist der Ertragsverlust durch Entlaubung in verschiedenen sensiblen Entwicklungsstadien bei unterschiedlichen Schädigungsintensitäten?


Dreijähriger mehrvariantiger Exakt-Versuch

In einem dreijährigen Versuch wurden Schädigungen von 30 %, 60 % und 90 % an den Blättern der Pflanzen in den Entwicklungsstadien „nach Auflauf“, „zur Blüte“, „Hülsenansatz“, „Hülsenfüllung“ und „vor Ernte“ vorgenommen. Der Versuchszeitraum erstreckte sich von 2021–2023. In diesem Beitrag werden exemplarisch die Ergebnisse der Sorte Acardia dargestellt.

Erklärung der einzelnen Varianten:

  • 30-%-Schädigung – an dem dreifiedrigen Blatt wird an allen Blättern der Pflanze ein Blatt entfernt.
  • 60-%-Schädigung – an dem dreifiedrigen Blatt werden an allen Blättern der Pflanze zwei Blätter entfernt.
  • 90-%-Schädigung* – an dem dreifiedrigen Blatt werden an allen Blättern der Pflanze alle drei Blätter entfernt. * Summe der übrigbleibenden Blattstiele = 10 %

Die unterschiedliche Witterung in den drei Versuchsjahren beeinflusste die Kompensationsfähigkeit der Pflanzen. In trockenen Jahren kann die Sojabohne aufgrund des Wassermangels schlechter kompensieren als in feucht-warmen und damit wüchsigeren Jahren.


60 % Schädigung zur Blüte (Mitte) daneben 30 % Schädigung zur Blüte
60 % Schädigung zur Blüte (Mitte) daneben 30 % Schädigung zur Blüte

90 % Schädigung zur Blüte
90 % Schädigung zur Blüte


Der Blattverlust wirkte vor allem nach der Blüte auf den Ertrag

Bei den Merkmalen Ertrag, Hülsenanzahl und Tausendkornmasse (TKM) kann über die Jahre hinweg ein Einfluss der Schädigungsstufen zu den Vegetationszeitpunkten abgelesen werden (Abb. 1–3). In der Praxis entscheidend sind die Auswirkungen auf den Ertrag. Ist die Pflanze in der Lage, den Schaden am Blattapparat auszugleichen oder ist eine Neuansaat notwendig?


Ertrag der Sorte Acardia in Abhängigkeit von Schadensintensität nach Hagel in der Blüte und Schadenszeitpunkt
Ertrag der Sorte Acardia in Abhängigkeit von Schadensintensität nach Hagel in der Blüte und Schadenszeitpunkt

Tausendkornmasse der Sorte Acardia in Abhängigkeit von Schadensintensität und Schadenszeitpunkt
Tausendkornmasse der Sorte Acardia in Abhängigkeit von Schadensintensität und Schadenszeitpunkt

Hülsenanzahl der Sorte Acardia in Abhängigkeit von Schadensintensität und Schadenszeitpunkt
Hülsenanzahl der Sorte Acardia in Abhängigkeit von Schadensintensität und Schadenszeitpunkt


Die Sojabohne hat bis zur Blüte ein hohes Kompensationspotenzial

An allen drei oben genannten Merkmalen ist in der jew. Abb. zu erkennen, dass die Sojabohne eine Schädigung von 30 %, 60 % und 90 % bis „zur Blüte“ kompensieren konnte. Allerdings verspätete sich die Abreife der Pflanzen um 7–10 Tage. Die Schädigung an den Pflanzen ab „Hülsenansatz“ war in den 30-%-Varianten von der Pflanze ebenfalls noch – mit einer Reifeverzögerung – zu kompensieren. Bei der 90-%-Variante ab „Hülsenansatz“ war im Vergleich zur Kontrolle ein Ertragseinbruch von über 60 % zu beobachten.

Die Sojabohne reduzierte die Kornanzahl pro Hülse und stieß zum Teil komplette Hülsen ab. Zumeist wurden die Hülsen der untersten Internodien gefüllt. Die Hülsen der oberen Internodien bildeten Kümmerkörner aus oder blieben leer. Während einer Schädigung in der Hülsenfüllungsphase war die Anzahl der Körner pro Hülse geringer. In der ersten Abbildung wird ersichtlich, dass eine 90-%-Schädigung zum Zeitpunkt des Hülsenansatzes und der Hülsenfüllung den Ertrag um die Hälfte verringert. Ein so deutlicher Ertragsrückgang wird in den anderen Varianten nicht beobachtet.

Die Hülsenanzahl und TKM stehen in starkem Zusammenhang mit dem Ertrag. Während einer Schädigung zum Zeitpunkt des Hülsenansatzes beobachteten wir gleichermaßen eine Reduktion der Hülsenanzahl (Abb. 3) als auch einen Rückgang um die Hälfte des Ertrages (Abb. 1). Auch die verringerte Tausendkornmasse trug zur Ertragsreduktion bei. Bei einer 90-%-Schädigung zum Zeitpunkt des Hülsenansatzes verringerte sich die TKM um bis zu einem Drittel und zum Zeitpunkt der Hülsenfüllung um bis zur Hälfte im Vergleich zur Kontrolle (Abb. 2).


Fazit

Zusammenfassend konnten wir beobachten, dass die Sojabohne Blattverluste bis zur Blüte kompensieren kann. Dabei spielt die Folgewitterung nach einem Schaden eine wichtige Rolle. Je weiter die generative Phase zum Zeitpunkt des Hagelereignisses fortgeschritten ist, desto geringer wird das Kompensationsvermögen. Bei einem echten Hagelschaden müssen andere Schadbilder wie beispielsweise Knickungen und Brüche berücksichtigt werden.

Die Ergebnisse aus den Feldversuchen zum Blattverlust fließen direkt in die Schadenregulierung bei der Vereinigten Hagelversicherung ein.


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Im Süden Deutschlands wird die Sojabohne seit über zehn Jahren immer häufiger angebaut (über 40. 000 ha für 2024). Frühere Studien aus den USA zeigen, dass Hagel und Blattverlust den Ertrag von Sojabohnen beeinträchtigen können. Im Gegensatz zu anderen Grob- Leguminosen wird der Blattverlust bei Sojabohnen als eigenständiges Schadbild betrachtet. Da eine Zusammenhang zwischen Klimawandel und Extremwetterereignissen besteht, untersucht Hagelversicherung die Auswirkungen von Blattschäden auf den Ertrag der Sojabohnen.


Die Versuchsfrage lautete: Wie hoch ist der Ertragsverlust durch Entlaubung in verschiedenen Entwicklungsstadien bei unterschiedlichen Schädigungsintensitäten? In einem dreijährigen Versuch von 2021 bis 2023 wurden Schäden von 30 %, 60 % und 90 % an den Blättern in verschiedenen Entwicklungsstadien vorgenommen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Sojabohne bis zur Blüte in der Lage ist, Schäden bis zu 60 % zu kompensieren. Nach der Blüte wird das Kompensationsvermögen geringer, insbesondere bei 90 % Schaden. Die Sojabohne zeigt, dass sie bis zum Zeitpunkt der Blüte, trotz Verzögerung der Reifung, Schäden ausgleichen kann, während spätere Schäden zu drastischen Ertragsverlusten führen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sojabohnen bis zur Blüte Blattverluste kompensieren können, wobei auch die Wetterbedingungen eine Rolle spielen. Je trockener, desto geringer das Ausgleichsvermögen. Ein extremer Schaden jedoch verringert das Kompensationsvermögen.