Interview Sojaanbau: Ein anderes System zur Reifebeschreibung bitte!

Interview Sojaanbau: Ein anderes System zur Reifebeschreibung bitte!

Sojabohnen können die Fruchtfolge auflockern und es bietet sich ein sicherer Abnahmeweg über regionale Verarbeiter. Trotzdem wagen sich viele Betriebsleiter und -leiterinnen selbst in den Gunstregionen an diese Kultur nicht recht heran. Dr. Anke Boenisch, Redakteurin der praxisnah, diskutiert mit Daniela Grill von der Versuchsstation Bayern in Moosburg die Gründe und Perspektiven.

Daniela Grill
Daniela Grill
Daniela Grill ist auf der Versuchsstation der SAATEN-UNION in Bayern für die Sojaversuche und -vermehrungen zuständig. Über diese Tätigkeiten hat sie eine große Kenntnis über das Abreifeverhalten unterschiedlicher Sortentypen gewonnen und steht ebenfalls im regen Austausch mit regionalen Praktikern.

praxisnah: Daniela, woran liegt es aus Deiner Sicht in erster Linie, dass die Anbauflächen von Soja nicht viel mehr ausgedehnt werden, obwohl das Marktpotenzial es hergeben würde?

Daniela Grill: Nach meiner persönlichen Einschätzung fehlt die Erfahrung mit dieser Kulturpflanze. Die undurchsichtige Einteilung der Reifegruppen macht das Ganze nicht gerade leichter.


Aber Soja wird ja schon etliche Jahre lang, vor allem im Süden angebaut. Und es fehlt trotzdem noch an Erfahrungen?

Der Sojaanbau in Deutschland hat hier im Süden begonnen und arbeitet sich jetzt so langsam Richtung Norden vor, wo die Vermarktungsmöglichkeiten aber oft noch nicht so vorhanden sind. Gemessen an anderen Kulturen steckt der Sojaanbau in Deutschland aber noch in den Kinderschuhen. Für mich befindet sich der Anbau der Sojabohne gerade in dem Stadium, indem sich der Maisanbau in den 60er-Jahren befunden hat. In der Züchtung ist noch viel Platz nach oben – d. h., die Sorten müssen noch besser an die regionalen Bedingungen angepasst werden. Die Bedeutung der deutschen/regionalen Soja ist am Markt angekommen, allerdings steckt hier das Wissen über den Umgang mit dieser Kulturpflanze noch voller Möglichkeiten.


Du hast vorhin von der „undurchsichtigen Einteilung der Reifegruppen“ gesprochen. Was meinst Du damit?

Eine vereinfachte Einteilung der Reifegruppen – weg von den zweifach (00), dreifach (000) und vierfach (0000)-Null Einteilungen – würde eine bessere Übersicht schaffen. Zumal innerhalb dieser Gruppen auch nochmals in früh, mittel und spät unterschieden wird. Bei einem Züchterhaus ist die Sorte mit dem gleichen Reifeverhalten wie eine mittlere Dreifachnull (000) bei einem anderen Züchter eine frühe Zweifachnull (00). Meiner Ansicht nach braucht es hier ein klares System, an dem sich – ich nenne sie mal „Laien“ – auch orientieren können. Die Einteilung von Mais in die FAO-Zahlen dagegen ist bereits bekannt und gelernt und könnte auch für Soja angewendet werden.

Eine weitere Möglichkeit würde die Einteilung der Reifezeit in Noten von 1 bis 9 bieten: 1 sehr früh und 9 ganz spät. Diese Einteilung verwendet schon das Bundessortenamt in der Beschreibenden Sortenliste. Also wozu braucht es dann noch die Nuller-Beschreibung? Eine Adelfia wird hier mit Reifezeit 5, eine ES Compositor mit Reifezeit 6, eine Sussex mit Reifezeit 3 und eine Tiguan mit Reifezeit 2 eingestuft. Ich meine, eine solche Einteilung der Sorten für den Handel würde einen guten Überblick schaffen.

Hinzu kommt, dass man nirgends klar definiert hat, was sich hinter der Einteilung zweifach- (00), dreifach- (000) und vierfach- (0000) Null verbirgt. Das erschwert erheblich die Einschätzung der Sorten, insbesondere im Hinblick auf die Abreife.


Wenn jetzt jemand mit dem Sojaanbau starten möchte, was könntest Du dem denn hinsichtlich der Sortenwahl raten?

Die Sorte SUSSEX reift sicher ab.
Die Sorte SUSSEX reift sicher ab.

Meine Empfehlung für jeden, der mit Soja noch keine Erfahrung hat und sich heranwagen möchte, lautet: Lieber eine bekannte frühreife Sorte – z. B. Sussex – nehmen und ein Gefühl für die Kultur bekommen. Das gilt für alle Anbauregionen. Aus der langjährigen Praxis bekannte frühe Sorten werden sicher überall reif.


Welche Abreifetypen gibt es?

Die Sojabohne hat drei unterschiedliche Wuchstypen – begrenzt wachsend, semi-begrenzt wachsend und unbegrenzt wachsend. Da sich diese Wuchstypen bzw. Genotypen im Abreifeverhalten unterscheiden, ist hier noch mal eine kleine Herausforderung gegeben. Die in Deutschland üblichen Sorten sind zum größten Teil begrenzt wachsende Typen. Diese Typen lassen sich ganz einfach am Hülsenkranz erkennen, den sie zum Abschluss des Längenwachstums bilden. Solche Bestände beginnen eigentlich gleichmäßig mit der Abreife. Was heißt hier eigentlich? Es gibt unter diesen Sorten auch welche mit dem sogenannten Stay-Green-Effekt. Was bedeutet das? Bei einem ausgeprägten Stay-Green-Effekt ist die Abreife von Stroh zu Korn nicht gleichmäßig. Während die Hülsen bereits reif sind, hat die Pflanze noch einen grünen Stängel und grüne Blätter. Gerade für „Sojaanfänger“ besteht hier die Gefahr, dass sie die Abreife dieser Sorte falsch einschätzen. Was wiederum dazu führen kann, dass der ideale Dreschzeitpunkt verpasst wird. Der Druschtermin muss sich nach der Hülsenreife richten, um Hülsenplatzen und somit Ertragsverlust vermeiden zu können. Für die richtige Einschätzung des Reifezustandes ist es daher zwingend notwendig, in den Bestand zu gehen und die Hülsen zu prüfen.


Sorte Yakari: gleichmäßig abgereifter Bestand, Drusch Mitte September 2022, Feuchte 14 % Der Reifezustand ist eindeutig zu erkennen.
Sorte Yakari: gleichmäßig abgereifter Bestand, Drusch Mitte September 2022, Feuchte 14 % Der Reifezustand ist eindeutig zu erkennen.

Sorte Acardia: noch grüne Blätter und grüne Stängel, aber reife Hülsen, Drusch Ende September 2021, Feuchte 13 % Reife ist nicht eindeutig zu erkennen.
Sorte Acardia: noch grüne Blätter und grüne Stängel, aber reife Hülsen, Drusch Ende September 2021, Feuchte 13 % Reife ist nicht eindeutig zu erkennen.

deutliche Verzögerung in der Abreife Stroh zu Korn Die Hülsen sind bereits braun, das Korn ist reif und die Pflanze hat noch einen grünen Stängel und grüne Blätter.
deutliche Verzögerung in der Abreife Stroh zu Korn Die Hülsen sind bereits braun, das Korn ist reif und die Pflanze hat noch einen grünen Stängel und grüne Blätter.


Wenn aber noch jede Menge Grün im Bestand ist und ich trotzdem dreschen muss, kriege ich dann keine Probleme mit dem Drescher?

Das kann so sein, wenn ich die Dreschereinstellung nicht anpasse. Um Trommelwickler zu vermeiden, muss ich sehr vorsichtig dreschen. Grundsätzlich, wie bei jeder Hülsenfrucht, gilt ein sensibler Umgang mit dem Korn. Die Drehzahl der Dreschtrommel halte ich niedrig (400–600 U/min), den Dreschkorb eher weiter als zu eng und die Siebe müssen entsprechend eingestellt werden.


Was ist also Dein Fazit?

Für ein zufriedenstellendes Ertragsergebnis ist im Sojaanbau die richtige Einschätzung der Reife das A und O. Sowohl bei der Sortenwahl als auch später im Feld. Wir sehen in unseren Versuchen jedes Jahr, wie viele unterschiedliche Reifetypen es gibt. Selbst für erfahrene Anbauer ist es nicht immer einfach, das in Deutschland erhältliche Sortiment richtig einzuschätzen. Da wäre es sehr hilfreich, diese Vielzahl an Typen in einem einfachen, gut verständlichen System, das zudem klare Definitionen enthält, zu beschreiben. Das Nuller-System ist meines Erachtens völlig ungeeignet und sorgt in der Praxis für Verunsicherung.

Um die Hemmschwelle bei dieser Kulturart zu senken, ist es nötig, die Einteilung der Reifegruppe zu vereinfachen und Sorten auf den Markt zu bringen, die eine einheitliche Abreife gewährleisten.

Soja ist ein „kleines Kraftwerk“ mit unheimlich viel Potenzial. Ich würde mich freuen, wenn wir mehr Menschen davon überzeugen könnten!