In der Ausgabe 3/2022 haben wir von dem Betriebsleiter Werner Klemme berichtet, der aufgrund seiner vielfältigen Fruchtfolge bereits auf halbem Wege zur biologischen Landwirtschaft war und dann den Betrieb umgestellt hatte. Im Gespräch mit Stefan Ruhnke und Dr. Anke Boenisch erläutert er, warum er doch wieder auf konventionell zurückkehrt – und warum er seinen Ausflug in die Biolandwirtschaft als Gewinn sieht und nicht als Fehler.
Schon bei dem ersten Gespräch im Mai 2022 zeichnete sich ab, dass der Schritt des viehlosen Betriebes in die biologische Landwirtschaft nur mit einer wirtschaftlichen Verwendung des – ackerbaulich zwingend notwendigen – Kleegrases einhergehen kann.
Unkrautmanagement als wesentliches Argument für die Rückumstellung
Kleegras ist nicht nur für die Nährstoffe, sondern auch mit Blick auf die Problemunkräuter Distel und Ampfer für den Biobetrieb elementar. Aufgrund des mehrmaligen Schnitts werden die Unkräuter hervorragend unterdrückt. Die bereits im Betrieb etablierte Rotkleevermehrungen als Ersatz zum Kleegras wäre nur eine nachrangige Lösung: Der einmalige Schnitt reicht für eine effektive Unkrautbekämpfung nicht aus. Im Rahmen der zweijährigen Umstellungszeit gelang es nicht, eine wirtschaftlich tragfähige Verwendung für das Kleegras zu finden.
Klemme arbeitet aus Überzeugung pfluglos: Da viele Flächen erosionsgefährdet sind, ist der Pflug keine Option. Unkrautmanagement im biologischen Landbau ohne Pflug bedeutet auf vielen Flächen eine mehrmalige flache Bodenbearbeitung mit dem Präzisions-Grubber vor der Aussaat, was sich aber zeitlich mit der gegebenen Arbeitskraft nicht umsetzen lässt.
Oder dann eben doch der Pflug, aber: „Nach vier bis fünf Jahren pfluglos wird der Boden stabiler und aktiver und das will ich nicht einfach über Nacht verlieren.“ Ein zu hohes Unkrautrisiko ist schlicht nicht akzeptabel, zumal ein großer Teil der Ackerfläche gepachtet ist.
Ist das System Kvickfinn die Lösung?
Kvickfinn ist ein System aus Finnland und macht genau das Gegenteil eines Grubbers: Es mischt nicht oberirdisches Pflanzenmaterial mit dem Boden, sondern trennt diese voneinander (Video). Durch eine Art Zapfwellen angetriebene Sternrollhacke werden Pflanze und Boden nach oben geschleudert. Da die Pflanzenteile langsamer zu Boden fallen als die Erde, liegen diese oben auf. Der Boden ist aufgelockert und hat keinen Anschluss an das Bodenwasser. Zwei Tage Sonne und der Aufwuchs ist vertrocknet. Durch die so entstandene Mulchauflage wird auch die Erosionsgefahr vermindert. Das System erreicht auf dem Betrieb besonders gegen Quecken, Disteln und Ampfer einen Wirkungsgrad von 90 %. Nachteilig ist eine hohe Anfälligkeit gegen Steine. Daran wird aber momentan von Herstellerseite gearbeitet.
Schwierigkeiten bei organischem Düngerzukauf
Aufgrund einer nicht vorhandenen Eigenverwertung oder Futtermistkooperation ist Klemme auf zugekauften organischen Dünger angewiesen. Infolge der krisenbedingten Preisanstiege beim konventionellen Dünger kam es auch zu Versorgungsengpässen bei Bio-Gülle. Diese wurde zudem trotz vorheriger Absprachen nicht geliefert.
Biomarkt: 2022 volatil und knallhart
Im Fokus der Umstellung standen von Anfang an Öl- und Backsaaten wie Mohn, Lein und Chiasamen, die auch zuvor konventionell produziert wurden und eine sichere Nische darstellen. Aber auch dieser Markt ist infolge der Krise zusammengebrochen. Im Biomarkt neue und verlässliche Vermarktungspartner zu finden, erwies sich als schwer, das Marktgebaren war knallhart. Bei der Umstellung war Klemme die damalige relative Preisstabilität der Bioprodukte wichtig. Diese Stabilität ist aber Vergangenheit. „Schwankende Erträge plus schwankende Preise und das ohne ein verlässliches Vermarktungsnetz – auch das hat Nerven gekostet. Stabilität ist für mich wichtig“, blickt er zurück.
Regionalität als Alternative und „sichere Bank“
Feste Abnehmer und Verträge sind die Basis einer sicheren Vermarktung. „Regionale Strukturen mit einem direkten Kontakt geben aus meiner Sicht die größte Sicherheit. Auch bei der Nachfrage zieht der Faktor Regionalität wie verrückt. Bio ist besonders bei den Backsaaten gar nicht so das Thema. Wir sind kein Biohofladen und das stört auch keinen unserer Kunden.“ In dem „Regionalmarkt“ ist das Geschäftsgebaren nach Klemmes Erfahrung deutlich besser, es gibt belastbare Netzwerke. Allerdings dauert es Jahre, bis man ein solches Netzwerk aufgebaut hat.
Wie geht es weiter?
Wildsaatgut-Vermehrungen sind jetzt eine neue interessante Nische. „Darauf bin ich durch den Klatschmohn als Nebenprodukt bei der Schlafmohnreinigung gekommen. Der Betreiber der Aufbereitungsanlage empfahl mir, den Klatschmohn als Saatgut zu vermarkten. Durch die Gespräche mit Firmen, die Wildkräuter vermarkten, kamen weitere Kulturen hinzu wie Ackerhundskamille, Wilde Möhre usw. Am Ende war der Ausputz letztlich mehr wert als die Hauptkultur!“
Diese Vermehrungen sind nichts für Pachtflächen und werden ausschließlich auf Eigenland angelegt. Diese Vermarktung steckt aber noch in den Kinderschuhen.
Was bleibt vom Biolandbau?
Die Rückumstellung ist am 01.01.2024 abgeschlossen. Doch für Klemme wird sich ackerbaulich erst einmal nicht viel ändern: „Ich mache überwiegend weiter wie vorher und versuche, mit wenig chemischen Pflanzenschutz auszukommen, aber ich habe ihn als Sicherheit zur Verfügung.“ Bei den Sommerungen verzichtet Klemme vollständig auf chemischen Pflanzenschutz, was zum Teil auch vermarktungstechnische Gründe hat. Mohn muss auf 350 Wirkstoffe untersucht werden, weshalb auch hier der Verzicht einfacher ist. Außerdem profitiert der Mohn durch die Hacke, da Verschlämmungen aufgebrochen werden und der Boden durch die Belüftung wieder richtig in Gang kommt. Das Gleiche gilt auch für Zuckerrüben.
„Wir haben vielfältige Fruchtfolgen, weil diese Arbeitsspitzen brechen – enge Fruchtfolgen funktionieren hier nicht. Auf Empfehlung eines Bekannten habe ich Hafer angebaut – eine sehr angenehm zu führende Kultur, einfach, schnell und robust und auch ohne Probleme wieder aus der Fruchtfolge herauszubekommen. Und Hafer unterdrückt auch Ackerfuchsschwanz gut“, schwärmt Klemme. Beim Hafer ist auch die Vermarktung interessant. Einen Teil der Ernte stellt Werner Klemme als gereinigte Ware in Big Bags ins Internet und verkauft ihn an Pferdehalter. „Wenn man genug Menge zusammen hat, ist man auch auf einmal für den Handel interessant“, hat er zudem erfahren.
Was bleibt noch? „Die typische Folge von Sommerung und Winterung behalten wir bei, dabei ist ein dichter Zwischenfruchtbestand wichtig. Für die Direktsaat ist die Zwischenfrucht ein absolutes Muss. Hier muss man investieren. Auch wenn man keinen direkten Ertrag sieht, muss man sich der Vorteile bewusst sein.“
„Schwarz-Weiß gibt es nicht mehr.“
Klemme ist davon überzeugt, dass für ihn der Mittelweg zwischen Bio und konventionell der richtige Weg ist. Ein Schwarz und Weiß gibt es für ihn nicht mehr. „Disteln im Öko-Anbau sind hier ein richtiges Problem und da sind Herbizide aus meiner Sicht die einfachere bzw. effektivere Lösung. Weite Fruchtfolgen, gesunde Sorten und vernünftiges Saatgut sind die Grundlage dafür, dass man weniger spritzen muss. Man sieht, dass nach drei bis vier Jahren der Krankheitsdruck abnimmt.“
Hätte man sich zur Zeit seiner Umstellung auf fünf Jahre festlegen müssen und nicht nur auf zwei, er hätte es vermutlich nicht gewagt. „Fünf Jahre sind unter den gegebenen Bedingungen einfach zu lange. Die Gefahr ist auf vielen Flächen zu groß, dass die Flächen dauerhaft verunkrauten.“
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Schon zu Beginn der Umstellung zeichneten sich die größten Herausforderungen für den Betriebsleiter ab. Der Betrieb arbeitet viehlos und ist daher auf den Zukauf von biologisch erzeugtem organischen Dünger angewiesen, da Verfahren wir cut-and-carry nicht in die Betriebsstruktur passen. In Folge der krisenbedingten Preisanstiege beim konventionellen Dünger kam es auch zu Versorgungsengpässen bei Bio-Gülle.
Für den Nährstoffhaushalt und für die Unkrautunterdrückung ist der Anbau von Kleegras in der biologischen Landwirtschaft elementar. Auf diesem Betrieb jedoch konnte keine wirtschaftliche Verwertung gefunden werden.
Klemme arbeitet aus Überzeugung pfluglos: Da viele Flächen erosionsgefährdet sind, ist der Pflug keine Option. Unkrautmanagement im biologischen Landbau ohne Pflug bedeutet auf vielen Flächen eine mehrmalige flache Bodenbearbeitung mit dem Präzisions-Grubber vor der Aussaat, was sich aber zeitlich mit der gegebenen Arbeitskraft nicht umsetzen lässt.
Im Biomarkt neue und verlässliche Vermarktungspartner zu finden, erwies sich als schwer, das Marktgebaren war knallhart. Bei der Umstellung war Klemme die damalige relative Preisstabilität der Bioprodukte wichtig. Diese Stabilität besteht jedoch zur Zeit nicht mehr.
Als Alternative setzt der Landwirt jetzt auf die regionalen Märkte und fängt an, sich ein Netz mit zuverlässigen Vermarktungspartnern aufzubauen. Auch ist er in die Vermehrung von Wildsaatgut eingestiegen.
Viel ändert sich in der Fruchtfolge mit der Rückumstellung auf den konventionellen Anbau nicht. Auch will der Klemme weiter wo immer möglich auf chemischen Pflanzenschutz verzichten. Aber er ist froh, chemische Mittel in der Hinterhand zu haben und notfalls einsetzen zu können. Er wird also eher einen Mittelweg zwischen konventionell und biologisch beschreiten.