Saatgutvermehrung im ökologischen Anbau: Beispiel einer besonderen Wertschöpfung!

Saatgutvermehrung im ökologischen Anbau: Beispiel einer besonderen Wertschöpfung!

Die Erzeugung von Z-Saatgut ist immer etwas besonders. Auch die Beziehung zum Händler sollte passen. Stefan Ruhnke und Dr. Anke Boenisch waren auf einem ökologisch wirtschaftenden Vermehrungsbetrieb zu Besuch und haben spannende Erkenntnisse in eine komplexe Wertschöpfungskette für Ackerbohnen bekommen, die für alle Beteiligten ein Gewinn ist.

Die Handelsgesellschaft für Naturprodukte mbH Gut Rosenkrantz mit Sitz in Neumünster ist deutsch­landweit aktiv und betreut mit insgesamt 100 Mitarbeitenden „komplexe“ Wert­schöpfungs­­ketten von der Saatgutvermehrung bis zur Bäckereitür bzw. bis ins Biofutter.

Einer der Betriebe, die unter anderem Ackerbohnen und Dinkel für Gut Rosenkrantz vermehren, ist die Hake KG in Hameln Jan-Erick Hake bewirtschaftet ca. 200 Hektar Ackerfläche mit 40–90 Bodenpunkten in Hameln, auf denen auch Kürbisse und Zwiebeln in großem Stil angebaut werden.


Was versteht man nun unter „komplexen“ Wertschöpfungsketten?

Das von Gut Rosenkrantz umgesetzte System funktioniert dabei so: Das vom Landwirt gelieferte Basissaatgut wird von speziell ausgesuchten Betrieben für Gut Rosenkrantz vermehrt, dann von offiziell anerkannten Aufbereitern in Dienstleistung aufbereitet. Nach der Z-Saatgutanerkennung geht das aufbereitete Saatgut zurück an die Handelsgesellschaft und wird der Landwirtschaft als Z-Saatgut verkauft. Nicht anerkannte Partien können in dem „System Rosenkrantz“ als Futter oder in der Speisemühle Verwertung finden. Das Besondere dabei ist, dass Gut Rosenkrantz alle Komponenten, die von Bäckereien benötigt werden, liefern kann. Diese vollständige Belieferung der Warenkette macht den Unterschied zu anderen Handelshäusern aus – auch hinsichtlich der oft langjährig gewachsenen und sehr stabilen Geschäftsbeziehungen. Dazu Jan Erick Hake: „Ich habe das Ganze buchstäblich geerbt, als ich den Betrieb von meinen Eltern übernommen habe. Mein Vater hatte seinerzeit den ersten Kontakt aufgenommen, als er den Betrieb umstellte. Da bot Gut Rosenkrantz sehr gute Vermarktungsmöglichkeiten. Und da das Ganze immer noch sehr gut funktioniert, kam ein Ausstieg für mich nie infrage.“


Jan-Erick Hake, Sven Heinrich, Stefan Ruhnke (vlnr)
Jan-Erick Hake, Sven Heinrich, Stefan Ruhnke (vlnr)


Sven Heinrich erläutert die Anfänge: „Damals konnte man Umstellungsbetrieben gute Vermarktungsmöglichkeiten des erzeugten Saatgutes (U-Ware) an­bie­ten, da diese gleich gesetzt war mit Ware von final umgestellten Öko-Betrieben (A-Ware). Heute darf Umstellungsware einer Sorte erst verkauft werden, wenn keine A-Ware mehr verfügbar ist. Ein Mehraufwand, der dazu führte, dass U-Ware für Vermehrer deutlich uninteressanter wurde, da ein Absatz nicht garantiert werden kann. Das ist nicht nur aus finanzieller Sicht schade, sondern auch, weil die Landwirte sich hier am Anbau von E-Weizen ausprobieren konnten, da keine Abschläge bzgl. des Proteins oder Feuchtklebers zu erwarten waren.“

Gut Rosenkrantz sondiert dabei potenzielle Vermehrungsbetriebe aus dem bestehenden Kundenstamm. Dabei muss ein vermehrender Betrieb über Lagerkapazitäten verfügen, die einem definierten Qualitätsstandard entsprechen. Hierbei sind besonders die Möglichkeit einer getrennten Erfassung und Lagerung zu nennen und im Idealfall auch ein eigener Mähdrescher, um Fremdbeimengungen mit anderen Sorten zu vermeiden. Wenn letzteres nicht möglich ist, muss das beauftragte Lohnunternehmen eine komplett getrennte Behandlung der Ökopartien garantieren können. Auch ausreichend geeignete Fläche muss beim Vermehrungsbetrieb vorhanden sein, um die bei der Z-Saatgutvermehrung notwendigen Mindestabstände einhalten zu können. „Ganz wichtig ist die Bereitschaft, Arbeit und Zeit in eine sorgfältige Feldhygiene zu stecken und nicht zuletzt auch in einen nicht zu unterschätzenden bürokratischen Mehraufwand“, betont Sven Heinrich. „Besonders Sommerungen müssen länger gelagert werden können, wohingegen Winterungen oft ex Ernte rausgehen“, ergänzt Hake.


Winterackerbohne machte das Rennen

Nicht jeder Versuch einer Z-Saatgutproduktion klappt auf Anhieb. Jan-Erick Hake hat dies am eigenen Leib erfahren müssen. „Bei der Sommerform klappte das nicht jedes Jahr, weil wir mal im Frühjahr nicht auf den Acker kamen oder zur Blüte kein Regen fiel. Mit der Winterackerbohne komme ich hier besser zurecht, weil sie die Winterfeuchte besser nutzt.“ Allerdings hat die Saatgutanerkennung aufgrund der Keimfähigkeit bei der Winterackerbohne in der ersten Runde nicht geklappt, wodurch die Ernteware innerhalb der alternativen Wertschöpfungsketten verwertet wurde. Der aktuelle Bestand jedoch sieht vielversprechend aus.


Hier kann es zu Problemen kommen

Bei der ökologischen Saatgutanerkennung kann es an einigen Stellen „knirschen“. Sven Heinrich erläutert: „Wenn die Vorprobe auf dem Schlag hinsichtlich der notwendigen Qualitätsparameter zu große Unterschiede zu der Ware nach der Aufbereitung aufweist, ist das ein Problem. Das passiert gerade bei Ackerbohnen schon mal, weil die Partien oft sehr inhomogen sind und jede Analyse nur so gut ist, wie die Proben repräsentativ sind.“ Nicht anerkannte Ware bleibt im Besitz des Vermehrers, dem dann von Gut Rosenkrantz ein Angebot für eine anderweitige Verwendung (Konsum oder Futter) gemacht wird. Alternative ist dann die Eigenvermarktung.

Ein weiteres Beispiel ist eine Verunreinigung durch unerwünschte Beipflanzen, die sich nicht einfach herausreinigen lassen, sondern eine besondere Nachreinigung wie die durch einen Fotofarbausleser benötigen. Bei Ackerbohnen sind das z. B. die Köpfe von Diesteln, die sich aufgrund einer ähnlichen Form anders kaum sicher entfernen lassen.

„Bei Ackerbohnen ist es schwierig, wenn nasse Melde mitgedroschen wird. Das muss unmittelbar herausgereinigt* werden, damit die Ackerbohnen nicht beginnen, zu faulen“, führt Heinrich aus. Sollte hier auf dem Betrieb keine Reinigung zur Verfügung stehen, muss die Disponierung der Ware zum Erfasser im Vorfeld geklärt sein. Auf dem Betrieb Hake stehen dafür Container zu Verfügung, die direkt auf Achse verladen und abtransportiert werden können.

Jan-Erick Hake ergänzt: „Bei Ackerbohnen ist es absolut wichtig, dass die Fallhöhe von den Förderbändern nicht zu hoch ist, damit das Saatgut nicht beschädigt wird.“



Ackerbohnenkäfer verursacht fast nie Schäden

Kein wirkliches Problem beim Z-Saatgut stellt hingegen der Ackerbohnenkäfer dar. Dieser beschädigt in der Regel nur den Bohnenkörper. Das hat erfahrungsgemäß, jedoch keinen Einfluss auf Keimfähigkeit oder Vitalität des Keimlings. Lediglich lebende Käfer führen im Saatgut zur Aberkennung der Ware. Heinrich gibt jedoch zu bedenken: „Ackerbohnensaatgut ist teuer. Wenn ich einen Sack mit diesem Prämienprodukt öffne und ich sehe viele Löcher, kommen mir als Kunde Zweifel an der Qualität. Das wollen wir als Verkäufer natürlich auf jeden Fall vermeiden!“


Probleme eingrenzen

Naheliegend also, dass vor allem unerwünschte Beipflanzen im Vorfeld im Griff behalten werden müssen. Landwirt Hake vermehrt grundsätzlich nur auf Flächen mit geringerem Beikrautdruck und wählt geeignete Vorfrüchte aus. Bei Ackerbohnen ist eine Anbaupause von mindestens sechs Jahren gesetzt und die Vermehrungen stehen nur auf den schweren Böden, um die Wasserverfügbarkeit sicherzustellen. Mit 45 cm Reihenabstand ist eine problemlose mechanische Unkrautbekämpfung möglich. Ansonsten setzt man im Betrieb auf dynamische und flexible Fruchtfolgen, die auf die jahresindividuelle Nährstoffdynamik reagieren können. Der Anbau der Vermehrungen unterscheidet sich im Bioanbau ansonsten nicht wesentlich von der Erzeugung von Konsumware.

*Da eine Reinigung einen Entnahmeschritt darstellt, muss sie mit dem Züchter abgesprochen werden.