Getreidesorten für den Öko-Bereich – genetische Vielfalt aus mittelständischer Züchtung

Getreidesorten für den Öko-Bereich – genetische Vielfalt aus mittelständischer Züchtung

Das Wachstum des ökologischen Landbaus ist trotz der Krise weiterhin positiv. Wichtiger denn je ist heute für die Praxis des ökologischen Landbaues ein deutlicher Zuchtfortschritt. Der lässt sich nur mit genetischer Vielfalt realisieren – auch aus konventionellen Zuchtprogrammen, meint Stefan Ruhnke, Produktmanager für Biokulturen.

Seitens der konventionellen Landwirtschaft steigt das Interesse am ökologischen Landbau: Alte Techniken werden neu bewertet und altes Wissen neu entdeckt, wie z. B. der Gemengeanbau, erweiterte Fruchtfolgen und alternative Techniken zur Unkrautregulierung. Damit ändern sich auch die Ansprüche an einzelne Sorten. Mehr Ökoanbau einerseits und „ökologisierte“ Produktionsbedingungen im konventionellen Anbau andererseits: Aus Sicht der Züchtung müssen Zuchtziele daher mit Blick auf diese Anforderungen neu bewertet und ggf. erweitert werden.


Aus Sicht der Gesetzgebung

In der aktuellen EU-Öko-Verordnung gilt der Grundsatz, dass „die Auswahl von Pflanzensorten unter Berücksichtigung der Besonderheiten der spezifischen Systeme für die ökologische/biologische Produktion mit Schwerpunkt auf der agronomischen Leistung, der Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten, der Anpassung an die unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten in Bezug auf Boden und Klima sowie der Achtung der natürlichen Kreuzungsbarrieren“ (Verordnung (EU) 2018/848, Artikel 6) erfolgen soll.


Die marktwirtschaftliche Betrachtung

Im ökologischen Landbau ist die Verwendung von Öko-Saatgut Pflicht (Ausnahme Vermehrungsbestände). Dabei muss die Mutterpflanze während mindestens einer Generation nach den Bedingungen der Verordnung erzeugt worden sein. Ausnahmegenehmigungen zur Verwendung konventioneller Ware sind je nach Versorgungslage möglich. Das aktuelle Sortenangebot an Öko-Saatgut kann über die Internetseite von organicXseeds eingesehen werden, deren Ziel es ist, eine 100%ige Versorgung des Bio-Sektors mit ökologisch erzeugtem Saatgut bis 2036 zu gewährleisten. Dafür wurde zusätzlich im Rahmen des Liveseed-Projekts eine Schnittstelle über alle europäischen Öko-Saatgut-Plattformen geschaffen.

Von 2022 auf 2023 lässt sich beim Getreide ein positiver Trend bei der Entwicklung der Öko-Vermehrungsflächen erkennen (Abb. 1), der vor allem durch die Steigerung der Weizenvermehrungsfläche vorangetrieben wurde. Auch Gerste, Roggen und Triticale folgen diesem Trend. Zuletzt hat der Dinkel einen deutlichen Einbruch zu verzeichnen und auch Hafer zeigt einen leicht negativen Trend. Die Fläche für Durum lag über die Jahre im Schnitt bei 60 ha.

Weizen ist sowohl im ökologischen Landbau als auch im konventionellen Landbau die flächenmäßig bedeutendste Getreideart, denn Weizen ist ertragsfähig und lässt sich relativ sicher vermarkten.

Der Versorgungsgrad beim Saatgut ist aufgrund von Nachbau, unterschiedlichen Aussaatstärken, verschiedenen Erträgen und Qualitäten nicht einfach zu berechnen. Doch scheint sich die Versorgung mit ökologisch produziertem Saatgut bei Getreide zu verbessern. Erkennbar ist dies an der Einstufung der drei größten Getreidearten, Weizen, Roggen und Hafer, in die Kategorie I. Das bedeutet, dass für diese Kulturen ausreichend Sorten und Saatgut zur Verfügung steht und daher kein konventionell ungebeiztes Saatgut verwendet werden darf.


Vermehrungsflächen Ökologischer Anbau
Vermehrungsflächen Ökologischer Anbau


Genetische Vielfalt für eine ertragsfähige Landwirtschaft

2023 wuchsen insgesamt 69 Weizensorten auf 3.730 ha ökologischer Vermehrungsfläche. Dabei machten die größten zehn Sorten 56 % der Vermehrung aus. Im konventionellen Landbau standen dagegen 209 Sorten auf insgesamt 42.850 ha und die Top 10 Sorten machen 50 % der gesamten Fläche aus. Vergleicht man die Anzahl der vermehrten Sorten zur Gesamtfläche des Weizens, zeigt sich, dass im ökologischen Landbau im Verhältnis mehr Sorten pro Hektar Konsumfläche angeboten werden als im konventionellen Landbau (Tab. 1).


Es rücken weitere Zuchtziele in den Fokus konventioneller Weizenzüchtung

Bei den für den ökologischen Anbau vermehrten Sorten wurde der Fokus nicht nur auf der Ertragsfähigkeit, sondern auch auf der Qualität einer Sorte gelegt. Bei der Bewertung der Qualität wird im Ökolandbau neben dem Protein der Gehalt des Feuchtklebers herangezogen. Auch das Unkrautunterdrückungsvermögen spielt eine große Rolle. Als ein Richtwert wird hier seitens der Länderdienststellen bei der Auswahl geeigneter LSV-Kandidaten die Note 5 bei der Pflanzenlänge herangezogen. Hinzu kommt die zügige Massebildung in der Jugend und eine planophile Blattstellung. Je höher der Bodendeckungsgrad, desto besser die Konkurrenzkraft gegenüber der Ackerbegleitflora.

Dies sind Eigenschaften, die im Rahmen der konventionellen Weizenzüchtung bisher maximal eine untergeordnete Rolle spielten und zum Teil negativ mit dem Zuchtziel Ertrag korreliert sind. Aber mit Blick auf Wirkstoffverluste, zunehmenden Resistenzen von Ungräsern und -kräutern und Erschwernissen bei der Qualitätsweizenproduktion werden diese Eigenschaften zukünftig interessanter.

Bei den Öko-Züchtungen sind auch die Resistenzen gegenüber samenbürtigen Krankheiten wie dem Weizensteinbrand relevant. Gilt für Steinbrand bei der Feldbesichtigung der ZS-Vermehrung ein maximaler Besatz von fünf befallenen Ähren pro 150 m², so gibt es keinen Richtwert für die Anzahl Sporen pro Korn. Vertriebsorganisationen, die für Z-Saatgut-Vermehrungen verantwortlich sind, fordern einen Richtwert für Basissaatgut von null und für Z-Saatgut von max. 20 Sporen/Korn. Außen anhaftende Sporen können alternativ über biologische Beizen, Elektronen-, Bürsten- oder Warmwasserbehandlungen reduziert werden.


Sortenvielfalt Ökoanbau vs. konventioneller Anbau
Sortenvielfalt Ökoanbau vs. konventioneller Anbau


Gesunde Vielfalt

Die Eignung für extensive Anbaubedingungen durch Unkrautunterdrückungsvermögen und Nährstoffeffizienz sind bei den anderen Top-5 Getreidearten im Öko-Landbau bereits durch die phänotypischen Veranlagungen gegeben. Daher finden sich bei Roggen, Dinkel und Hafer deutlich höhere Anteile konventioneller Züchtungen, da diese Kulturen traditionell auf extensiven Standorten und in den Fruchtfolgen des ökologischen Landbaus zu finden sind. Sie werden seit vielen Jahren hinsichtlich der Anforderungen einer extensiven Bewirtschaftungsform züchterisch selektiert.

Aufgrund der höheren Ertragsleistung von Hybridroggen stehen Hybridsorten auf ca. 80 % der konventionellen Roggenfläche. Im ökologischen Landbau sind es hingegen nur ca. 20–30 % – trotz deutlicher Ertragsvorsprünge um 20 %. Erklären lässt sich dies mit den Vorgaben seitens der Verarbeitung und der Nachbaufähigkeit der Populationssorten.


Fazit

Verschiedene Wege und ein Ziel

Sowohl die ökologische als auch die konventionelle Züchtung stehen bei der Bereitstellung des passenden Sortenmaterials für eine nachhaltige Pflanzenproduktion vor den gleichen Herausforderungen: Beide Anbausysteme benötigen stabil leistungsfähige Sorten und Zuchtfortschritt. Die zur Verfügung stehende genetische Vielfalt bietet dabei die beste Grundvoraussetzung zur Erreichung dieses Ziels und die mittelständige Züchterlandschaft verfügt über das optimale Know-how, um auch zukünftig Zuchtfortschritt auf die Felder zu bringen.